Ludger Triebus, Juni 2003

Gedanken zum Abschluß des Transeuropalaufes- It´s all over now?

Inzwischen sind alle Beteiligten des Transeuropalaufes hoffentlich wieder zu Hause. Bei einigen hat es aufgrund von “osteuropäischen Besonderheiten” etwas länger gedauert. 21 Stunden für Ingo Schulze und einige Betreuer bzw. 50 Stunden für Brigitte und Manfred Leismann wurden für den Grenzübertritt in Belarus benötigt. Gründe und Ursachen hier zu analysieren liegen mir fern, es zeigt jedoch, das gerade die Durchquerung von Weißrussland und Russland, die für die Organisatoren schwierigste und unberechenbarste Herausforderung darstellte. Deshalb ist sicher meine Freude, das es alle geschafft haben, gesund und ohne Probleme nach Moskau zu kommen, verständlich. Denn nach einigen Jahren, die ich in Moskau gelebt und gearbeitet habe, waren mir die zu erwartenden Probleme durchaus bewußt. Joachim Hauser fragte mich einmal während des Laufes, weshalb ich denn nicht von dem Lauf in Belarus und Rußland abgeraten hätte. Meine Antwort darauf ist hoffentlich nachvollziehbar. Ein Transeuropalauf nur bis Warschau wäre doch wie ein Winter ohne Schnee gewesen. Ich habe vor den Gefahren gewarnt , davon abgeraten habe ich nicht, denn mir war klar, daß das Rennen durchführbar sei- wenn auch unter Schwierigkeiten. Und der Erfolg gibt mir in diesem Punkt recht.
Und es reizte mich, für diesen erstmals stattfindenden Lauf die organisatorischen, genehmigungstechnischen und vor allem die sicherheitstechnischen Fragen zu lösen und zu einem guten Ende zu führen. Für mich eine große Herausforderung, deren Umfang von den Teilnehmern des Laufes in ihrer Tragweite nur zum Teil erahnt, geschweige denn erkannt wurde.
Doch ich möchte mit einem Rückblick auf die letzen Tage des Laufes diese Betrachtungen abschließen.

Samstag: 21.06.03 Geschafft!!!

Dieser Gedanke dürfte die vielen Läufer , Betreuer und auch den Organisator Ingo Schulze am Schluß mit großer Freude und Erleichterung erfüllt haben. Bei fast allen lagen die Nerven blank. Manche dachten wohl daran... nix wie weg hier.!!.
Spätestens nach Überschreiten der „Weicheigrenze” von Polen nach Belarus, wurden die Unterkünfte schlechter. Und die dauernde Polizeipräsenz vermittelte Einigen des Teams eher Angst denn ein Schutzgefühl.

Der Vergleich mit einem Weihnachtsfest, zu dem die Vorbereitungen schon 64 Tage vorher beginnen und sich mit dem Näherrücken des Festes verdichten, während gleichzeitig die Anspannung und die physische und psychische Erschöpfung zunimmt, liegt für den Ablauf des Transeuropalaufes nahe.
Und dann, am Heiligabend (hier dem Einlauf in Moskau) , liegen alle Beteiligten erschöpft unter dem Baum. Es breitet sich eine Leere im ganzen Team aus. Die Energie, das Geschaffene zu genießen, fehlt. Und dabei hätten es alle verdient, sich wie im Siegesrausch zu fühlen. Die Läufer, die nahezu Undenkbares geleistet haben. Denn die gelaufene Distanz mit 5035 Kilometern ist die bisher längste von Menschen an einem Stück gelaufene Strecke (der Weltrekord wurde am 22.06.03 in Moskau angemeldet) und die tägliche Durchschnittsdistanz fällt mit täglich 79,92 Kilometern/Tag in die gleiche Kategorie.

Am letzten Tag in Moskau waren alle glücklich und erschöpft- hauptsächlich jedoch erschöpft. Bei Managern spricht man bei diesen Dingen gerne von „Burnout Syndrom“.
Der Lauf von der Stadtgrenze Moskaus zur Siegessäule im Victory Park war für alle Läufer und alle Betreuer (denn die liefen natürlich auch mit ) so etwas wie das nachhaltigste Erlebnis der letzen Etappen. Denn während des 9,3 Kilometer langen Laufes kam das erste Mal zu Bewußtsein, es geschafft zu haben; aber eben nur ein Hauch des Gefühles !!
Das Photoshooting auf dem roten Platz konnte dieses Gefühl auch nicht herbeizaubern, obwohl Wetter und das Erreichte geradezu prädestiniert waren.

Und besonders der Organisator Ingo Schulze ist hier zu nennen. Für ihn hätte der Einlauf nach Moskau die Krönung und der Lohn für die 2 Jahre Vorbereitungszeit und die 64 Renntage, an denen er bis an die Grenze der Selbstaufgabe arbeitete, um die immensen Herausforderungen täglich neu zu bewältigen, sein können. Ingo hatte eine Herkulesaufgabe zu erledigen.
Die schwierigsten Entscheidungen mußte er treffen und ausbaden. Dabei beschimpft und immer kritisiert von gerade den Athleten, die zu Beginn der Strecke nicht Willens oder in der Lage waren, sich für die Teilnahme am Athletenrat zu melden beziehungsweise sich hier zu engagieren. Ein Versäumnis, welches uns allen oft schmerzhaft bewußt wurde.

Gerade vor diesem Hintergrund kann die Arbeit von Ingo Schulze gar nicht hoch genug eingeschätzt werden.

Zusätzlich begrenzt durch ein zu kleines Budget für diese „Reise” ; in den USA kostet dieser Spaß immerhin gute 18.000 bis 20.000 USD ( beinhaltet Selbstversorgung beim Essen/Unterkunft und Mietwagen sowie die Notwendigkeit eines eigenen Betreuers).

Das Erreichte und auch die hohe Anzahl von Läufern, die es geschafft haben, spricht jedoch für die richtige Organisation des Laufes. Die nächsten Läufe dieser Größenordnung werden sicher nicht mehr für 3000 Euro pro Kopf zu haben sein. Außerdem werden tägliche Etappenlängen und die Präsenz von mehr Betreuern und Spezialisten für die Kommunikation unter den Läufern und zu den Medien zu überdenken sein.

Aber eines zählt; Alle haben am „Härtesten Lauf der Welt” teilgenommen und sind angekommen. Und darauf kann jeder einzelne für sich stolz sein; alle haben einen wirklich guten „Job“ gemacht.
Und dieses tolle Gefühl stellt sich dann auch hoffentlich nach einigen Tagen ein.

Ich war in der vergangenen Woche viel auf Deutschlands Straßen unterwegs und habe auch mehrmals Läufer gesehen. Dabei werde ich oft an die Szenen während des Laufes erinnert und an verschiedene Läufer. Luc Dumot St. Priest mit seinem leichten Schritt und dem wehenden Sonnenschutz, Dusan Mravle der zusammen mit Werner Selch oft ein Team bildete und die vielen anderen, die oft wie Perlen an einer Schnur entlang der Straße liefen. Alles in allem unvergeßliche Augenblicke an die ich gerne zurückdenke. Das war die Mühe und manche beschwerliche Momente allemal wert.

Autor: Ludger Triebus (kaltrie@planet-interkom.de)

Ebenfalls Verfasser des alternativen Russland Reiseführers: Ausgerechnet Moskau (Erschienen im Skywalker Verlag)