Inzwischen
sind alle Beteiligten des Transeuropalaufes hoffentlich wieder zu
Hause. Bei einigen hat es aufgrund von “osteuropäischen
Besonderheiten” etwas länger gedauert. 21 Stunden für
Ingo Schulze und einige Betreuer bzw. 50 Stunden für Brigitte
und Manfred Leismann wurden für den Grenzübertritt in
Belarus benötigt. Gründe und Ursachen hier zu analysieren
liegen mir fern, es zeigt jedoch, das gerade die Durchquerung von
Weißrussland und Russland, die für die Organisatoren
schwierigste und unberechenbarste Herausforderung darstellte.
Deshalb ist sicher meine Freude, das es alle geschafft haben, gesund
und ohne Probleme nach Moskau zu kommen, verständlich. Denn
nach einigen Jahren, die ich in Moskau gelebt und gearbeitet habe,
waren mir die zu erwartenden Probleme durchaus bewußt. Joachim
Hauser fragte mich einmal während des Laufes, weshalb ich denn
nicht von dem Lauf in Belarus und Rußland abgeraten hätte.
Meine Antwort darauf ist hoffentlich nachvollziehbar. Ein
Transeuropalauf nur bis Warschau wäre doch wie ein Winter ohne
Schnee gewesen. Ich habe vor den Gefahren gewarnt , davon abgeraten
habe ich nicht, denn mir war klar, daß das Rennen durchführbar
sei- wenn auch unter Schwierigkeiten. Und der Erfolg gibt mir in
diesem Punkt recht.
Und
es reizte mich, für diesen erstmals stattfindenden Lauf die
organisatorischen, genehmigungstechnischen und vor allem die
sicherheitstechnischen Fragen zu lösen und zu einem guten Ende
zu führen. Für mich eine große Herausforderung, deren
Umfang von den Teilnehmern des Laufes in ihrer Tragweite nur zum
Teil erahnt, geschweige denn erkannt wurde.
Doch ich möchte mit einem Rückblick auf die letzen Tage des
Laufes diese Betrachtungen abschließen.
Samstag: 21.06.03 Geschafft!!!
Dieser Gedanke dürfte die vielen Läufer , Betreuer und auch den
Organisator Ingo Schulze am Schluß mit großer Freude und
Erleichterung erfüllt haben. Bei fast allen lagen die Nerven
blank. Manche dachten wohl daran... nix wie weg hier.!!.
Spätestens
nach Überschreiten der „Weicheigrenze” von Polen
nach Belarus, wurden die Unterkünfte schlechter. Und die
dauernde Polizeipräsenz vermittelte Einigen des Teams eher Angst
denn ein Schutzgefühl.
Der
Vergleich mit einem Weihnachtsfest, zu dem die Vorbereitungen schon
64 Tage vorher beginnen und sich mit dem Näherrücken des
Festes verdichten, während gleichzeitig die Anspannung und die
physische und psychische Erschöpfung zunimmt, liegt für den
Ablauf des Transeuropalaufes nahe.
Und
dann, am Heiligabend (hier dem Einlauf in Moskau) , liegen alle
Beteiligten erschöpft unter dem Baum. Es breitet sich eine Leere
im ganzen Team aus. Die Energie, das Geschaffene zu genießen,
fehlt. Und dabei hätten es alle verdient, sich wie im
Siegesrausch zu fühlen. Die Läufer, die nahezu Undenkbares
geleistet haben. Denn die gelaufene Distanz mit 5035 Kilometern ist
die bisher längste von Menschen an einem Stück gelaufene
Strecke (der Weltrekord wurde am 22.06.03 in Moskau angemeldet) und
die tägliche Durchschnittsdistanz fällt mit täglich
79,92 Kilometern/Tag in die gleiche Kategorie.
Am letzten Tag in Moskau waren alle glücklich und erschöpft-
hauptsächlich jedoch erschöpft. Bei Managern spricht man
bei diesen Dingen gerne von „Burnout Syndrom“.
Der
Lauf von der Stadtgrenze Moskaus zur Siegessäule im Victory Park
war für alle Läufer und alle Betreuer (denn die liefen
natürlich auch mit ) so etwas wie das nachhaltigste Erlebnis der
letzen Etappen. Denn während des 9,3 Kilometer langen Laufes
kam das erste Mal zu Bewußtsein, es geschafft zu haben; aber
eben nur ein Hauch des Gefühles !!
Das
Photoshooting auf dem roten Platz konnte dieses Gefühl auch
nicht herbeizaubern, obwohl Wetter und das Erreichte geradezu
prädestiniert waren.
Und
besonders der Organisator Ingo Schulze ist hier zu nennen. Für
ihn hätte der Einlauf nach Moskau die Krönung und der Lohn
für die 2 Jahre Vorbereitungszeit und die 64 Renntage, an
denen er bis an die Grenze der Selbstaufgabe arbeitete, um die
immensen Herausforderungen täglich neu zu bewältigen, sein
können. Ingo hatte eine Herkulesaufgabe zu erledigen.
Die
schwierigsten Entscheidungen mußte er treffen und ausbaden.
Dabei beschimpft und immer kritisiert von gerade den Athleten, die zu
Beginn der Strecke nicht Willens oder in der Lage waren, sich für
die Teilnahme am Athletenrat zu melden beziehungsweise sich hier zu
engagieren. Ein Versäumnis, welches uns allen oft schmerzhaft
bewußt wurde.
Gerade vor diesem Hintergrund kann die Arbeit von Ingo Schulze gar nicht hoch genug eingeschätzt werden.
Zusätzlich begrenzt durch ein zu kleines Budget für diese „Reise” ; in den USA kostet dieser Spaß immerhin gute 18.000 bis 20.000 USD ( beinhaltet Selbstversorgung beim Essen/Unterkunft und Mietwagen sowie die Notwendigkeit eines eigenen Betreuers).
Das Erreichte und auch die hohe Anzahl von Läufern, die es geschafft haben, spricht jedoch für die richtige Organisation des Laufes. Die nächsten Läufe dieser Größenordnung werden sicher nicht mehr für 3000 Euro pro Kopf zu haben sein. Außerdem werden tägliche Etappenlängen und die Präsenz von mehr Betreuern und Spezialisten für die Kommunikation unter den Läufern und zu den Medien zu überdenken sein.
Aber
eines zählt; Alle haben am „Härtesten Lauf der Welt”
teilgenommen und sind angekommen. Und darauf kann jeder einzelne für
sich stolz sein; alle haben einen wirklich guten „Job“
gemacht.
Und
dieses tolle Gefühl stellt sich dann auch hoffentlich nach
einigen Tagen ein.
Ich war in der vergangenen Woche viel auf Deutschlands Straßen unterwegs und habe auch mehrmals Läufer gesehen. Dabei werde ich oft an die Szenen während des Laufes erinnert und an verschiedene Läufer. Luc Dumot St. Priest mit seinem leichten Schritt und dem wehenden Sonnenschutz, Dusan Mravle der zusammen mit Werner Selch oft ein Team bildete und die vielen anderen, die oft wie Perlen an einer Schnur entlang der Straße liefen. Alles in allem unvergeßliche Augenblicke an die ich gerne zurückdenke. Das war die Mühe und manche beschwerliche Momente allemal wert.
Autor: Ludger Triebus (kaltrie@planet-interkom.de)
Ebenfalls Verfasser des alternativen Russland Reiseführers: Ausgerechnet Moskau (Erschienen im Skywalker Verlag)