Manfred Leismann, Juli 2003

Undank ist der Welten Lohn

oder

Der TransEuropaLauf aus Sicht des Initiators.

Vorab gesagt, ich will mich nicht über Kritik einiger beschweren und lamentieren, (einiges könnte ich sogar unterstreichen) sondern nur Dinge klarstellen, die über mich, die Organisation und Mitläufer verbreitet wurde.

Zur Erinnerung die Vorgeschichte.

1995 lief ich, damals 48 Jahre jung, den TransAmerika und hatte die Vision ob so was nicht auch in Europa machbar wäre.

Im Mai 2001 faßte ich den Entschluß Ingo Schulze und andere anzuschreiben, mit der Bitte die Organisation dieses Laufes zu übernehmen. Der einzige der mir antwortete war Ingo und wir gingen gemeinsam diesen Brocken an. Anfangs ein Herz und eine Seele, leidet unser Verhältnis seit einiger Zeit unter dem Streß und den Gegenseitigen unterschiedlichen Einstellungen. Manchmal versuchen Sportfreunde mich zu den Hintergründen, unseres soll ich sagen „Zerwürfnisses?“, zu befragen. Ich kann immer wieder nur sagen, wir sind Charaktere wie Feuer und Wasser, aber wir akzeptieren die Arbeit und Leistung des Anderen. Ingo hat mit seiner Helferschar einen TransEuropaLauf organisiert, den niemand sonst mit diesen Mitteln so hin bekommen hätte.

Wenn ich heute schon mal gefragt werde, ob ich den Lauf so geplant und durchgeführt hätte, wenn ich das Ergebnis gekannt hätte, kann ich nur sagen, auf jeden Fall. Ich habe eine Vision von Europa und diese hat sich auch nach dem Lauf nicht geändert. Das es mit so einem Unterfangen Probleme geben könnte und nicht nur in Osteuropa, mußte jedem, auch einem Martin Wagen klar sein, es sei denn er ist ein Traumtänzer und nicht von dieser Welt. Natürlich hatten wir Zusagen, dass uns besondere Hilfen zuteil wurden, welche dann anders waren als wir uns erhofft hatten, aber ich darf daran erinnern, in Spanien war das Essen zu Anfang schlechter als in Belarus/Russland was wir uns auch nicht hatten träumen lassen.

Martin hat sich mit seinem Tagebuch selber dargestellt, darum möchte ich auch nicht auf alle Punkt eingehen. Nur auf einige Dinge, weil ich mich natürlich frage, warum hat er so geschrieben, reagiert, was hat ihn dazu veranlaßt? Beispiel Japaner, welche er als Idioten wegen ihrer Esskultur und Lauf stile anprangert. In Amerika hat er ausschließlich mit denselben Japanern zu tun gehabt und kein einziges Wort darüber verloren. Nun in Amerika hat er als Platzhirsch alle anderen vom Start weg im Griff gehabt und mußte sich über solche Belanglosigkeiten nicht auslassen. Hier war er von Beginn an einer von viele Favoriten und mußte sich seinen Platz erkämpfen, was natürlich Emotionen und Aggressionen freisetzt. Während andere ihre Aggressionen in der Gruppe ausgetobt haben, hat Martin sein Tagebuch vergewaltigt und das Ergebnis an Stephan geschickt. Beim TransEurope hat er den lieben Jungen gespielt, so das alle heute über seine Ausfälle erschrocken sind.

Thema Kameradschaft, über das nicht nur Martin, sondern auch andere verwundert sind. Dieser Lauf war ein Wettkampf, der über mehr als 5000 km von Lissabon nach Moskau ging. Wenn auch alle behaupten ihr einziges Ziel wäre die Ankunft in Moskau gewesen, so hat doch jeder eine Plazierung im Auge, und sei es nur die des Vorderläufers. Dazu kommt, das der Lauf mit durchschnittlich 80 km und der Beginn in Portugal und Spanien, also in den Bergen der Extremadura und den Pyrenäen der härteste Teil zu Beginn stand. Das hat Überlebenskämpfe freigesetzt, die manchmal unschön waren und von denen kaum einer ausgenommen war (auch ich nicht), die man aber immer nur bei den anderen wahrgenommen hat. So ist das mit dem Überlebenstrieb, wenn 44 Menschen von Lissabon nach Moskau wollen und jeder möglichst auf Kosten der Mitstreiter. Diese Dinge gibt manchmal die Natur in uns vor und wir sollten uns damit abfinden, auch wenn wir sie als ethische und moralische Fehlhaltung identifizieren. Wenn man diese Fehler bei sich sieht und den Versuch unternimmt an sich zu arbeiten ist dieses ein großartiges Verhalten. Nur, die Natur selbst auf den Kopf zu stellen ist niemandem gegeben.

Ich wurde von Außenstehenden und auch von Mitläufern gefragt, was es mit dieser scheinbar fehlenden Kameradschaft auf sich hat und wie man damit umgeht. Ähnliches, wenn auch nicht in dieser ganz so aggressiven Form, hatte ich und andere ja schon bei anderen TransKontinentalLäufen erlebt. Vielleicht verblaßt das auch in der Erinnerung. In der Gesellschaft neigen Menschen dazu sich nur von ihrer besten Seite zu zeigen. Das gelingt mit Abstufungen des gemeinsamen Zusammensein unterschiedlich. Liebende sehen sich in der Woche, Wochenenden in Traumstimmungen Wolkenkuckucksheim, Eheleute finden realer den Umgang, können aber trotzdem Rücksichten finden und Emotionen und Aggressionen beherrschen, da Beruf und Freizeit Räume zum ausweichen geben. Hier aber finden sich eine Gruppe von mehr als 50 Menschen, die 65 Tage unter größten Strapazen beinahe 24 Stunden auf Tuchfühlung leben und sich bloßstellen und einander ihre Gefühle und Emotionen präsentieren. Jeder lernt in dieser Zeit seine eigenen Fehler und Schwächen und die seiner Mitstreiter kennen und damit mehr oder weniger umzugehen. Dieses zu begreifen wird für viele längere Zeit brauchen, weil man in der Gruppe mehr gegeben und genommen hat an Vertrauen, ohne es selbst zu ahnen. Wenn das die einzelnen Leute begriffen haben, wird der Respekt zueinander und das Gefühl der Zugehörigkeit der Gruppe stark sein. An mir konnte ich zum Beispiel feststellen, das mich Anwürfe vom Dusan weniger nervten als von anderen, obwohl ich auch da einmal ausflippte.

Dann möchte ich noch einigen Unsinn klarstellen, den der Martin und auch andere mündlich oder schriftlich verzapfen.

Bayer war nicht Hauptsponsor. Bayer Polymers hat Wolfgang, Helmut und mich unterstützt. Bayer Polymers hat die gesamte Medienarbeit unterstützt und finanziert soweit das nötig war. In einzelnen Etappenorten haben die Örtlichen Bayervertretungen uns das Essen spendiert und uns logistisch unterstützt. Im Vorfeld wurden Wolfgang, Helmut, Karl Graf , ich und andere gefragt ob wir dem Fernsehen als Bezugsperson während des Laufes zur Verfügung Filme, Interviews etc. zur Verfügung stehen. Jedem war klar das dass Zeit in Anspruch nehmen würde und hat abgewunken. Ich habe dieses auf mich genommen und in der Summe beim Lauf etliche Stunden gelassen. Martin und andere sind am Verpflegungstand nicht mal stehen geblieben um eine Frage zu beantworten. Vom TransAm und TransAustralien hat es während der gesamten 64 Tage keinen einzigen Fernseh oder Zeitungsbericht gegeben und das wäre hier genau so gelaufen, wenn Bayer Polymers nicht diesen Part vorbereitet hätte und ich die Bezugsperson gespielt hätte. Medien brauche nun mal für Leser Hörer und Zuschauer eine Person die über den Gesamtzeitraum ansprechbar ist. Das heute Mitläufer in die Medien geladen werden ist ein Produkt dieser Vorarbeit. Selbst die über mich ergossenen Neidausbrüche und Häme sind es mir wert, dass heute jedermann nicht nur in Deutschland über den TransEurope spricht und das Ultralaufen als Sport deutlicher wahrgenommen wird.

Kommunikation wird von Martin bemängelt. Zur Kommunikation gehört auch Informationen die man zu lesen hat. Beispiel Streckenbeschreibungen. Hier stand unter anderem, das bei km 21 hinter Hofgeismar eine Fähre ist. Diese Insiderinformation bekam er von Robert, welcher wahrscheinlich des Lesens mächtig ist. Änderungen der Streckenlängen lastet er mir an, Herr Leismann hat mal wieder falsche Angaben zur Streckenlänge gemacht mokiert er. Wenn er die Beschreibungen gelesen hätte und auch durch Gespräche hätte er wissen müssen, das wir durch Behörden und Polizei gezwungen wurden M1 zu laufen statt der von mir vermessenen P1, P3 und P54, aber man hat ja ein Kommunikationsproblem und nimmt nur das wahr, was man möchte.

Zur Kommunikation gehört auch, dass man Dinge wahrnimmt wie sie gesagt werden und wenn man etwas mißversteht nach hakt, wenn man korrigiert wird dieses auch der Wahrheit nach berichtet und nicht bei seinen Verleumdungen bleibt.

Martin behauptet ich habe angekündigt in Witzhelden siegen zu wollen.

Diesen Schwachsinn hat er trotz meiner wiederholten Richtigstellung vor Ort penetrant weiter verbreitet und auch ins Internet gestellt. Zur Richtigstellung hier meine Ankündigung und mein damaliges Anliegen.

Vorab die bis dahin allen, auch Martin, bekannten Tatsachen.

Bis Witzhelden gelaufene km/2500, meine Zeit 310 Std. 53 min. entspricht 7,4 min/km Schnitt für mich.

Martin und Robert hatten jeweils 238:26, bzw. 234:14, was einen Schnitt von 5,7/5,6 pro km ausmacht.

Wo ich als 56 Jahre alter Läufer plötzlich diese 1,7 bis1,8 min/km hätte herholen sollen und das auf einer 86 km langen Strecke bleibt allein Martins Geheimnis.

Mein Anspruch war, in Witzhelden unter 10 Std., also vor 16 Uhr einzulaufen um beim größten Spektakel am Markt als Lokalmatador präsent zu sein. Ich glaube ein legitimes Anliegen. Dieses stellte ich auch am Vorabend in Vettweiß gegenüber Martin unter Zeugen klar, weil er immer wieder den Unsinn verbreitete, ich wolle meine Heimetappe gewinnen.

Meine Endzeit betrug 9:12:53, was einen Schnitt von 6,4 min ergibt. Wobei ich unterwegs durch etliche Stops bei Interviews durch Radio und TV in Bergheim, Köln, Leverkusen und noch in Leichlingen aufgehalten wurde.

Hier möchte ich einfach nur schließen und keine neuen Wunden aufreißen. Die Beschuldigungen an Else und Martin Bayer sind zu absurd als dass man sich damit beschäftigen müßte. Auch Karl und die Japaner haben seine Kritik nicht verdient, ebensowenig wie Ingo und ich wünsche dem Martin, dass er in einem möglichst langen Läuferleben lernt, dass andere Menschen halt anders sind und nicht so perfekt, weil sie halt eben Menschen sind und sie dass manchmal liebenswert und manchmal unerträglich macht.

Oft hängt das aber auch von unseren eigenen Launen ab.

An dieser Stelle möchte ich noch mal allen TransEuropaLäufern, allen Etappenläufern, der Organisation und den Helfern gratulieren und mich bedanken. Wir haben zusammen Großartiges geleistet und uns viel gegeben. Ich hoffe das Ihr und alle Außenstehende das so langsam begreifen und genießen könnt. Ich würde mir wünschen, das man diesen Lauf für andere erhalten könnte, bezweifle aber das jemand den Mut dazu findet, besonders nach der Kritik und den harten Behinderungen im Osten Europas.

Schade.

Manfred Leismann

© Manfred Leismann, im Juli 2003