Zufälliges Zitat

"I just sort of turn my mind off and look at the white lines, and see if I can keep between them."

Esmond Mah

Nächster Ultramarathon

Alle zeigen - Bericht von Samuel Petersen zum 6h - St. Pölten:
Samuel Petersen , 03.04.2005

jüngster Ultraläufer Österreichs

6-Stunden-Lauf in St. Pölten

Samstag, 2. April 2005

Es ist Samstag, Anfang April. Heute Morgen hatte es Minusgrade. Hoffentlich wird es bald wärmer, denn in zwei Stunden müssen wir raus an den Start. An den Start des ersten Ultralaufs des heurigen Jahres ? an den Start meines allerersten Ultralaufs.
Dieser Termin heute in St. Pölten ist für mich Pflicht. Sechs meiner Kollegen des Resnik-Xtreme-Teams hatten angekündigt zu kommen und ich freue mich sie persönlich kennen zu lernen. Teamkollegen Josef hatte ich bereits gestern kennen gelernt, als er mich in Gleisdorf abholte. Mit ihm und Freundin Bianca war ich auf dem Weg zum Hotel Seepark, wo sich der Start befand.
Josef wollte eigentlich ursprünglich gar nicht teilnehmen, da er einige Zeit Grippe hatte und ihm somit jegliches Training fehlte. Unser Team-Chef Sepp Resnik hatte ihn letzte Woche dann doch dazu überredet und so wollte Josef einfach nur locker mitlaufen und sah es als lange Trainingseinheit.

Ankunft, Begrüßung, neue Dressen von der Team-Chefin entgegen nehmen, umziehen. Meine Kollegen tragen das neu erhaltene FILA-Laufdress. Ich setzte dagegen auf mein altbewährtes KTM-Trikot plus darunter ein LÖFFLER-Shirt und die neu entwickelte kurze FILA-Performa Hose.
Josef und ich laufen die 1.576 Meter lange Strecke besichtigen. Großteils harter Kiesweg, ein Stück weicher Waldboden. Ich bin negativ überrascht, da ich dachte es wäre alles asphaltiert, aber es läuft sich doch ganz angenehm. Es ist wärmer geworden, somit werden die LÖFFLER-Windjacken doch nicht notwenig sein. Ich hole mir aber noch meine LÖFFLER-Ärmlinge, für die Anfangsrunden, bis mein Körper warm ist.
Wieder rein in Hotel zur Wettkampfbesprechung.
Der Start rückt näher. Die Aufregung bleibt aus. Die Atmosphäre und das lockere Tratschen mit den anderen Athleten lassen einen vergessen, dass man nun gleich, um 10 Uhr, zu laufen beginnen und nicht vor 16 Uhr aufhören wird. 28 Männer und 10 Frauen aus allen Bundesländern Österreichs und zwei davon aus Deutschland begeben sich an den Start, während sich die mitgebrachten Betreuer ihre Plätze am Streckenrand herrichten.

Punkt zehn Uhr ? Startsignal. Bei meinen ersten Metern denke ich mir, dass ich dieses Tempo sechs Stunden lang durchhalten sollte. Die erste Runde laufe ich als einer der ersten durch und Sepp Resnik ruft mir zu, dass ich nicht gleich die ganze Welt niederreißen brauche. Ich fühle mich aber recht wohl mit dem Tempo und bald kristallisiert sich eine Führungsgruppe heraus. Bestehend aus dem späteren Sieger Michael Peel (er lief letztes Jahr 5.000 km quer durch Amerika), unserem Josef Gaisch, Andreas Bauer und mir. Gegenseitig erzählen wir uns Gschichtln um uns bei Laune zu halten spenden uns gegenseitig Windschatten. Schön gleichmäßig laufen wir eine Rundenzeit zwischen 7:30 und 7:35.
Die Zeit vergeht wie im Fluge. Bereits fast ein Drittel ist geschafft. Langsam wird mir die viele Rederei aber zuviel. Ich konzentriere mich mehr aufs Laufen und beginne mir bei jedem durchlaufen des Rundenzählerzelt einen Wasserbecher zu schnappen. Schon seit Donnerstag habe ich leichte Kopfschmerzen die sich jetzt von Runde zu Runde mehr bemerkbar machen. An meine Beine denke ich gar nie, sondern daran, den Wettkampf zu bestehen ohne, dass mir der Kopf platzt. Über zwei Stunden (27 Kilometer) waren wir nun zu viert beisammen, als ich im Zelt keinen Wasserbecher erwische. Ich bleibe stehen, schaue alle Becher durch, aber denen ist nur Elektrolyt-Getränk, welches ich gar nicht mag. Ich laufe weiter und kann die hundert Meter Rückstand zu meinen Vordermännern nur schwer aufholen. Mein Mund ist klebrig und der Kopf sticht immer mehr ? ich falle zurück und kann die Gruppe nicht mehr halten. 1,5 Minuten später als bisher beende ich die Runde und bekomme wieder Wasser. Aber es wird mir nicht besser. Zudem ist es was ganz anderes alleine gegen den Wind zu laufen. Nach der nächsten Runde (Runde 18) nehme ich ein wenig Flüssignahrung zu mir und trotte weiter. Ich werde von einem Duzend Läufer überholt, die ich zuvor nie auf der Strecke nie gesehen hatte, die wir also nie überrundet hatten und die in der Führungsrunde lagen. Somit war die Möglichkeit, jemals wieder ganz vorne dabei zu sein dahin. Manuela Resnik geht vor mir und ist nicht wirklich langsamer als ich. Ich schließe mich ihr an und gehe mit ihr zwei Verdauungsrunden (eine halbe Stunde lang).
Ich versuche wieder zu laufen. Drei Runden schaffe ich das. Aber von einer zur nächsten werde ich um eine halbe Minute langsamer. Ich rechne im Kopf herum und sehe die Chancen, mein Ziel zu erreichen dahinschwinden. Die anderen wirken noch recht fit und ich bin, (abgesehen von Manuela, die aber doch auch noch immer wieder läuft), so ziemlich der einzige der geht bzw. eher dahin humpelt. Seit Montag verspüre ich ein eigenartiges Ziehen in der rechten Kniekehle. Gestern dachte ich das wäre wieder in Ordnung, aber jetzt merke ich das ziemlich. Beim Gehen aber mehr als beim Laufen. Ich kann das Bein einfach nur nicht durchstrecken. Auch mein Rücken macht mir zu schaffen. Auf Manuelas Rat hin schütte ich schon jede Runde Wasser in meine Kappe, die mein Haupt und speziell meine empfindlichen Augen vor der Sonne schützen soll, aber merke nicht wirklich eine Besserung meiner Kopfschmerzen, wenigstens werden sie nicht mehr stärker.
Die Rundenzähler machen sich Sorgen, da ich nun bald doppelt so Lange pro Runde brauche. Ich bleibe kurz bei ihnen, strecke mich etwas durch und dehne meine Beine leicht. Ich bejahe, dass ich in Ordnung sei und bestelle mir ein Cola für die nächste Runde. Ich will nicht lockerlassen. Es muss immer weiter gehen.
Als mir der Wind fast meine Kappe vom Kopf reißt und ich sie neu aufsetzen will merke ich, dass es ohne viel angenehmer scheint. Vielleicht hatte ich die ganze Zeit einen Hitzestau unter der Kopfbedeckung und daher kamen die Schmerzen? Die UVEX-Sonnenbrille, die heute ihren ersten Wettkampfeinsatz hat, schützt meine Augen ausreichend vor der Sonne, die nun sowieso etwas schwächer wird. Einen Kilometer später werfe ich den Betreuern das überflüssige Bekleidungsstück zu und überschütte meine langen Haare mit Wasser. Das tut gut.
Ich befinde mich in Runde 27 und habe nun ca. einen Marathon (42km) hinter mir. Ich errechne, die 60km zu erreichen wird fast nicht mehr möglich sein. Nach der Runde mit nassen Haaren, geht?s mir Kopfschmerzmäßig richtig gut. Ich überschütte auch die glühenden Oberschenkel und Knie mit laufwarmem Wasser. Es fühlt sich an wie ein Sprung ins Eisbecken nach einem Saunaaufenthalt.
Teamkollege Didi Fried, der sich mittlerweile am Streckenrand als Zuseher eingefunden hat, ruft mir zu, ich solle durchhalten - es wären mehr zwei Stunden. Ich lese auf meiner TIMEX-Uhr meine lasche Rundenzeit ab und da macht es Klick in meinem Kopf. Ich forciere. Denn mit jeder Runde die ich herumtrotte wird das 60km-Ziel härter zu erreichen.
Ab nun greife ich mir jede Runde vier Becher. Einen zum trinken, einen für den Kopf, einen halben für die Schultern und den Rest für die Beine. Während ich eilig mit den Bechern in der Hand dahingehe und mich überschütte schaue ich ständig nervös auf die Uhr um meine plötzlichen schnellen Rundenzeiten beizubehalten. Meine Schätzung ergibt eine Mindestgeschwindigkeit von 9 Minuten pro Runde. Ich liege sogar eine halbe bis ganze Minute darunter.
Gleich zu Beginn meiner neu gewonnen Kräfte erscheinen auch meine, in St. Pölten lebenden, Großeltern an der Rennstrecke, was mich besonders freut. Durch das ?hohe? Tempo wir mir extrem heiß. Die Möglichkeit sich nur alle 8 Minuten mit Wasser überschütten zu können wird mir zu selten. Ich reiße mein KTM-Trikot vom Laib und forciere weiter. Von den anderen scheint es nun mehren schlecht zu gehen. Sie bewegen sich nur mehr langsam oder gehend. Als ich an Manu vorbei komme ruft sie mir hinterher, dass ich auch das Shirt (mein vorletztes Kleidungsstück) ausziehen solle. Trotz des Winds tat ich so und tauchte es auch noch beim Laufen in den See um mir die weißen Salzspuren vom Körper abzuwaschen.
Die Rundenzählerinnen machen sich schon wieder Sorgen, weil ich mit nur mehr 20cm Bekleidung laufe, während neben der Strecke Betreuerinnen mit Wollhaube und gefütterter Jacke sitzen. Aber mir geht es besser den je. Das hätte ich mir nie gedacht, dass ich meine Leistung noch mal so steigern kann. Einige Läufer kann ich wieder zurücküberrunden. Es geht so schnell, ich wartete nur mehr drauf, dass ich zusammenbreche.
Über 11km laufe ich in meiner starken Stunde bis 15 Uhr. Ab nun geht?s wieder bergab. Mein Rücken. Er versuche beim laufen meinen Nacken in die Höhe zu ziehen. Weiters schmerzt meine linke Schulter. Mit der Zeit kann ich auch die Arme nicht mehr dauerhaft anheben, wie es beim laufen üblich ist. Ich bleibe öfters stehen. Dehne meinen Rücken durch beugen zum Boden. Ich will etwas gehen, aber durch den Zug in der rechten Kniekehle, kann ich nur humpeln. So komme ich fast nicht weiter. Die Zeit wird knapp. Jede Runde rechne ich alles dreimal durch. Es ist nicht mal mehr eine Stunde Zeit, ich dürfte um die 54km haben.
Ich setze mich kurz ins Zelt auf den Tisch zu den Wasserbechern um mal Rücken und Beine zu entlasten. Da sagt Sepp durch den Lautsprecher, dass die letzten 40 Minuten angebrochen seien. Ich mache mich gleich wieder auf den Weg. Eher: ich schleppe meinen Körper dahin. Der Kopf hängt nach unten, den Nacken ziehe ich Richtung Himmel um den Rücken gerade zu halten, meine Arme baumeln nur wie Anhängsel an den Schultern. Aber auch so komme ich weiter. Das einzige was ich noch aktiv bewege sind die Beine, die mit sehr kleinen aber flotten Schritten die Füße nach vorne bringen, die Fußgelenke sind noch stark und machen die meiste Arbeit. Der Oberkörper bleibt wie unbeweglich. Ich schiele (da ich ja den Arm nicht mehr hebe) immer wieder auf die Uhr und rechne umher. Eigentlich zehn Minuten Zeit für jede der fehlenden vier Runden. Nach 9,5 Minuten beende ich die aktuelle. Ich bin froh, dass ich noch langsamer werden darf, nur darf ich dafür nie mehr ins Gehen wechseln, welches mir aber sowieso anstrengender erscheint. Die nächste Runde brauche ich eine Minute länger. Aber es dürfte sich knapp ausgehen.
Die Damen entwickeln zum Schluss hin noch Bärenkräfte und sausen an mir vorbei. Meine Füße bewegen den Rest von mir vorwärts und ich bin eigentlich froh, mit meinen Kräften so umgehen zu können, dass ich aus ihm Leistung bis auf runter auf Null rausholen kann.
16 Uhr. Ich höre über den See das Endsignal von der anderen Seite. Die Frauen bleiben stehen und lassen sich an Ort und Stelle erschöpft auf den Boden fallen. Sie müssen warten, da die Strecke die sie seit Beendigung der letzten Runde geschafft haben, per Hand vermessen wird. Ich laufe die letzten paar hundert Meter weiter und freue mich auf das Ende. Ich kann erstaunlicherweise noch Kräfte für einen Zielsprint mobilisieren.

Im Ziel angekommen fühle ich mich plötzlich total frisch. Ich begrüße schnell meine Großeltern und schaue, dass laufe die paar Meter zum See. Endlich raus aus den Schuhen und rein mit den Füßen ins kalte Wasser. Meine Füße haben die 6 Stunden gut überstanden, nur eine dicke Blase ziert meine große Zehe.
Abschlussfoto, und ab in die Duschen. Um 17 Uhr gibt es Essen, aber ich bekomme nur ein paar Bissen runter. Eine halbe Stunde später beginnt die Siegerehrung, bei der alle bedacht werden. Nach aufsteigender Leistung werden die Athleten geehrt. Als bereits jemand mit 61km herausgerufen wird, der nicht ich bin, wundere ich mich. Kurz drauf höre ich dann, dass ich knapp über 64 Kilometer geschafft habe. (Ich habe im Kopf immer nur mit 1,5 gerechnet, aber die paar Meter die jede Runde mehr hat summieren sich doch schön zusammen). Wenn ich das gewusst hätte, hätte ich mich die letzten beiden Runden garantiert nicht so gequält. Aber wer hat schon was gegen eine bessere Leistung als er sich erdachte?
Josef, dem es ab der Hälfte des Ultralaufs auch nicht mehr gut ging, erreichte stattliche 69,3km. Er gewann so die Klasse M35 und ich, als jüngster Ultraläufer Österreichs, die Klasse der bis-30-jährigen.

Den Gewinn, ein Wochenende im Wellnesshotel Seepark, werde ich vielleicht schon übernächste Woche einlösen, um mit meinem Jugendfreund Michael unseren gemeinsamen 21. Geburtstag zu feiern.

Am Tag danach bin ich 2kg leichter und schon wieder mit dem Rennrad unterwegs.


© Samuel Petersen, 03.04.2005

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