Tritt ein, bring Glück herein

Stop, leider geschlassen!

 

Elisabeth Herms-Lübbe zum GutsMuths Rennsteiglauf (24.05.2006) - Ultramarathon beim Steppenhahn (10.2000)
Alle zeigen - Bericht von Elisabeth Herms-Lübbe zum GutsMuths Rennsteiglauf:
Elisabeth Herms-Lübbe , 24.05.2006

War das kalt!

Impressionen zum Rennsteiglauf


„Ich bin dabei“ war vor Jahren das Motto des Rennsteiglaufs. Diesmal traf das für mich auf der langen Strecke zum fünften Mal zu. Da kommt allmählich Routine auf. Die ersten Male war ich beim Start immer gerührt gewesen allein durch die Tatsache, dass ich zu den glücklichen Menschen zählte, die sich fähig fühlten, die Strecke zu bewältigen. Die immer gleiche sentimentale Musik zum Start „Time to say good bye“ hatte ihr übriges getan.

Es wird von Jahr zu Jahr voller am Start in Eisenach vor dem Rathaus. 2006 kamen fast 1200 Läufer ins Ziel, also müssen entsprechend viele unter dem vertrauten Hubschraubergeknatter sich auf den Weg gemacht haben.

Beim fünften Mal bietet einem die Strecke natürlich nicht mehr so viel Neues. Man erinnert sich an bestimmten Stellen an Erlebnisse, die man dort hatte. Und es fallen Veränderungen auf. Die Ausblicke in die Landschaft werden zunehmend seltener, weil Neuanpflanzungen emporwachsen. Bei km 5, der ersten Verpflegungsstelle, muss man sich schon entschieden umdrehen, um die Wartburg zu sehen. Aber der Wartburgblick war schon immer etwas schwierig.

Lange Zeit lief ich mit Christian Hottas zusammen, der mehr als 1000 Marathons absolviert hat. Er erzählte mir von seiner vor einem Jahr an Krebs verstorbenen Lebensgefährtin Barbara Szlachetka und von ihren erstaunlichen und bewundernswerten läuferischen Leistungen. Ich dachte daran, dass ihr einmal beim Start gratuliert wurde, weil sie am Tag des Rennsteiglaufes Geburtstag hatte. Auf meine Bemerkung hin, ich hätte Barbara nie bewusst gesehen, zückte Christian seine Digitalkamera und zeigte mir auf dem Display etliche Bilder von ihr. Dann erzählte er mir von ihrer Beerdigung und von der Laufbegeisterung, die sie auf ihre Heimatgemeinde in Polen übertragen hat. Sie hat prägende Spuren hinterlassen. Die beim Start vermisste Rührung überkam mich nun doch noch, und Dankbarkeit dafür, dass ich lebte und gesund war.

In Brotterode kamen wir über den Parkplatz, auf dem ich kurz nach der Wende, als wir dort zum Skifahren waren, meine Tochter, damals noch ein Kind, belehren musste, dass ein günstigeres Schicksal nicht unbedacht machen darf. Sie hatte dort begonnen, lauthals Bemerkungen zu machen über die Skibekleidung ostdeutscher Herkunft. Der Ton hatte nicht gestimmt, ich habe geschimpft und ihr den Tag verfinstert, selbst wenn der Sache nach ihre Bemerkungen gerechtfertigt waren. Aber mit der Zeit relativiert sich alles. Unsere damaligen Skianzüge in den Farben Mint und Pink und mit Schulterpolstern sehen auf Bildern auch ziemlich albern aus.

Zum Zeitvertreib hielt ich Ausschau nach markanten Punkten an der Strecke, die medaillengeeignet sein könnten. Es ist schon eine Herausforderung für die Medaillenmacher, die übrigens aus Südafrika kommen, für diesen Landschaftslauf jedes Jahr ein neues Motiv zu finden, das auf Metall gut wirkt. Dieses Jahr haben sie eines von der Marathonstrecke genommen.

Ein Gedenkstein am Wegesrand war mir früher noch nicht aufgefallen. Er erinnert an die im letzten Krieg bei einer Luftschlacht um Thüringen gefallenen Soldaten, sowohl an die deutschen als auch an die amerikanischen. Posthum sind die Feinde auf einem Stein vereint. Diese Art von Gedenken finde ich besonders rührend. Vielleicht könnte auch er ein Motiv für eine Medaille geben, denn die Termine für kommende Rennsteigläufe und damit für frische Medaillen stehen bis in die weite Zukunft fest.

Dann kam Regen und Sturm. Glücklich waren alle die Läufer, die sich von der Wärme beim Start nicht täuschen lassen hatten und dickere Sachen dabei hatten. Einige der weniger glücklichen ließen sich von Helfern an den Verpflegungsstationen Müllsäcke geben, die sie überzogen. Das große Frieren setzte ein. Roter Schlamm war auf dem Weg, bald auch in den Schuhen. Abgefallene Fichtenblüten lagen da, auch frisch abgerissene Zweige, einige Bäume waren gerade umgeknickt. Vor dunkler Fichtenkulisse konnte man sehen, wie der Sturm mal dicht, mal weniger dicht die Regenfelder vor sich her trieb.

Ich hatte zuhause wegen des unsicheren Wetters eine große Auswahl an Bekleidung eingepackt, und meine Sporttasche war entsprechend voluminös geworden. Der Plastiksack, den es wie jedes Jahr in Eisenach zum Gepäckschutz gegeben hatte, war etwas zu klein für sie gewesen. Und, durchnässt wie ich bald war, stellte ich mir meine Tasche vor, wie sie in Schmiedefeld auf der Wiese lagerte, Regen von oben, Feuchtigkeit von unten, und die Nässe zöge während der langen Stunden langsam durch die trockenen Sachen. Gott sei Dank würde wenigstens das Finisher-T-Shirt trocken sein.

Ja, es herrscht schon ein raues Klima auf dem Rennsteig. Es waren nur wenige Grade über dem Gefrierpunkt. Eine Helferin zeigte einmal auf einen Schneerest: ein Minigletscher. Und der Inselsberg hält einen absoluten traurigen deutschen Rekord: im Dezember 1965 hat dort einen ganzen Monat lang die Sonne überhaupt nicht geschienen. Das raue Klima ist Voraussetzung für den Rennsteiggarten bei Oberhof. Übrigens, sind wir diesmal daran vorbei gekommen? Mir sind die Hinweisschilder nicht aufgefallen. Vielleicht ist die Strecke dort etwas verlegt worden. Der Rennsteiggarten ist ein botanischer Garten für Gebirgspflanzen, die diesen Temperaturen durch Kleinheit und Geschwindigkeit bei der Reproduktion trotzen. Im Juni, aber dann nur für kurze Zeit, blühen diese Winzlinge ganz bezaubernd.

Als ich endlich nach mehr als elf Stunden das Ziel erreichte, waren auf dem Schmiedefelder Sportplatz die Zielsprecher noch unermüdlich aktiv, und auch Stimmungsmusik gab es noch. Mein Zieleinlauflied war „Sounds of Jamaica“, da wurde mir ganz warm ums Herz. „Rennsteigläufer sind härter“, hieß es früher bei solchem Wetter an dieser Stelle.

Der Zustand meiner Tasche war leider so, wie ich ihn mir vorgestellt hatte, aber zum Glück gab es noch einige halbwegs trockenen Teile darin. In der Damenumkleide habe ich mich nur kurz aufgehalten, weil die Zeltwände so knatterten, als würden sie bald wegfliegen. Und dann gab es das Finisher-T-Shirt, auf das ich mich schon gefreut hatte. In diesem Jahr ist es in Rot, der Farbe der Sieger. Es hat diesmal keine zerzausten Tannen darauf, von denen sind aber jetzt einige auf der Medaille. Dafür steht mehrfach groß „Finisher“ darauf, vorn und hinten, damit es auch jeder mitbekommt. Bedruckt ist es über und über mit einem abstakten Muster, ein blasiges Kuddelmuddel in mehreren Farben, mir kam gleich die Assoziation, das sind ja die alten und neuen deutschen Nationalfarben. Wie auch immer, liebe es und finde es in seiner etwas ungewöhnlichen Art sehr gelungen, vielen Dank.














© Elisabeth Herms-Lübbe, 24.05.2006

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