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Alle zeigen - Bericht von Ansgar Lind zum Inferno Halb-Marathon:
Ansgar Lind , 12.10.2008„Der teuflischste Berglauf Europas“
16. Inferno Halbmarathon
Datum: 23. August 2008
Der Inferno Halbmarathon ist der teuflischste Berglauf Europas. Mit einer Höhendifferenz von 2175 HM gehört der Lauf zweifelfrei zu den schwersten Bergläufen. Der Start befindet sich auf dem Campingplatz in Lauterbrunnen unterhalb des Staubachwasserfalls (795 m ü. M.). Als Zwischenstation erreicht man bei km 12 den bekannten Skiort Mürren (1640 m ü. M.). Auf 2970 Meter über dem Meer befindet sich das Ziel, das Panorama Restaurant „Piz Gloria“, auf dem Schilthorn. Das Piz Gloria wurde durch eine Schlüsselszene des James Bond Films „Im Geheimdienst Ihrer Majestät“ im Jahr 1968 weltbekannt.
Jedes Jahr im Januar findet das älteste und populärste Volksskirennen der Welt, der Inferno Abfahrtslauf vom Schilthorn statt. Die Strecke führt je nach Schneelage bis nach Lauterbrunnen. Als älteste Sommerveranstaltung gibt es den Inferno Halbmarathon. Hierbei muss die berühmte Skitrasse in aufsteigender Richtung bewältigt werden. Der Streckenrekord liegt bei stolzen 01:57:33 h, der im Jahr 1997 aufgestellt wurde.
Nachdem meine Eltern und ich uns nach dem Frühstück aus unserer Ferienwohnung in Wilderswil in Richtung Lauterbrunnen aufmachten, schien die Sonne. Es war zwar noch recht kühl, aber zum Glück regnete es nicht. Am Abend vorher kam von Westen ein Tief, welches starken Regen und Gewitter im Gepäck hatte. Aber danach sah es jetzt nicht aus. In Lauterbrunnen angekommen, ging es gleich zum Campingplatz. Dort holte ich mir meine Startunterlagen ab. Sehr erstaunt stellte ich fest, was sich so alles im Beutel befand. Neben meiner Startnummer und einem Chip, mit dem die Zeit gemessen wird, befand sich noch ein dicker Umschlag des Sponsors „isostar“ mit einem Energy Gel und zwei verschiedenen Power-Riegel sowie einem netten Brief an die Teilnehmer. Wir sind hier halt in der Schweiz. Bei deutschen Laufveranstaltungen wäre so etwas undenkbar. Einen kleinen Traubenzucker würde es vielleicht noch geben, mehr aber nicht. Das hier ist halt schweizerische Qualität, die ich sehr schätze. Nachdem ich meine Startnummer angebracht und meinen Kleiderbeutel für Mürren abgegeben hatte, gingen meine Eltern und ich noch einen heißen Tee auf dem Campingplatz trinken. Anschließend lief ich mich warm.
Vorm Start appellierte der Veranstalter mehrmals an die Läufer, sich warme Kleidung anzuziehen. In dem Skiort Mürren, 800 Meter über dem Start, waren es nur noch 7 Grad. Auf dem knapp 3000 Meter hohen Schilthorn herrschten Temperaturen um die Null Grad, die im Laufe des Tages aber noch von Minus 1 bis Minus 2 Grad kühler werden sollten. Ebenfalls gab der Veranstalter bekannt, dass es eine kleine Streckenänderung wegen Steinschlaggefahr bei der Schilthornhütte auf 2432 m ü. M. gab.
Ich entschied mich vor dem Lauf für eine ¾ Laufhose, einen Laufshirt sowie ein warmes Longsleeve darüber. In meinen Laufrucksack packte ich noch eine dünne Regenjacke, Handschuhe, Mütze und meine Digitalkamera.
Um 10:15 Uhr fiel der Startschuss des „verrücktesten“ Halbmarathons. Ich hatte mich in der dritten Reihe im Starterfeld von Rund 400 Läufern gestellt. Ich staunte nicht schlecht, mit welch hohem Tempo die Topläufer lossprinteten. Ich lief den 1. (noch flachen) km mit einer Zeit von 04:30 Min/km. Vorbei an Zuschauern und einer Musikkapelle ging es durch Lauterbrunnen.
Die nächsten 10 km mit einem Anstieg von 800 HM, waren laut Streckenbeschreibung „bloß mal ein Einlaufen“. Doch dieses „harmlose“ Einlaufen erwies sich für mich schon als schwer.
Zum Anfang nahm ich gleich das Tempo raus, um die Steigung besser zu bewältigen. Doch mein Puls stieg nach einer kurzen Zeit viel höher als erwartet. Mit einem Puls von 180 Schlägen die Minute merkte ich richtig, wie mein Körper arbeitete. Des Weiteren merkte ich, wie diese langgezogene Steigung Kraft kostete. Vom Jungfrau Marathon ein Jahr vorher war ich eigentlich gewöhnt, das man solche Steigungen auch mal ein paar Meter „geht“. Doch hier war das total anders. Alle Läufer die ich so sah, liefen diesen Streckenabschnitt ohne auch nur mal eine Miene zu verziehen. Ich nahm daraufhin mein Tempo weiter raus. Nun wurde ich von flotten jungen Damen und auch älteren Herren überholt. Warum sah das bloß bei denen so einfach aus? Machte ich irgendetwas falsch?
Nach einer ganzen Zeit wurde die Strecke etwas schmaler als vorher und man lief über engere Wege mit vielen Baumwurzeln. Hier wechselte das Laufen mit zügigem Wandern ab. Doch hier musste man dicht hinter seinem Vordermann bleiben, da sich sonst hinter einem ein Stau gebildet hätte. Erholung war das nicht. Mittlerweile machte ich mir auch schon so meine Gedanken, ob ich in meinen jetzigen Zustand den Lauf überhaupt finishen könnte. Meine Analyse: Es läuft irgendwie überhaupt nicht. Und wenn das so weiter geht, komme ich oben nicht an. Obwohl ich für meine Verhältnisse top vorbereitet war, machte mir dieser Streckenabschnitt sehr zu schaffen. Ich laufe wie ein Anfänger dachte ich mir. Das darf doch wohl nicht wahr sein.
Doch ab der Grütschalp (1486 m ü. M.) wurde die Strecke bis nach Mürren (1650 m ü. M.) bei km 13 wieder etwas flacher. Die Steigungen waren hier human. Mein Puls ging auch wieder runter. Bis nach Mürren konnte sich so locker in einem flotten Tempo laufen. In Mürren begegnete ich an zwei Stellen meinen Eltern, die von mir Fotos machten. Auch eine Musikkapelle sorgte hier für Stimmung. Ich merkte, dass die Temperatur hier schon kühler war. Hinter Mürren ging es gleich einen Wanderweg, mit Kühen am Weg, weiter bergauf. Hier stellte ich fest, dass es mir viel besser ging, als auf dem ersten Streckenabschnitt. Mein Puls war jetzt okay und das Laufen machte mir richtig Spaß. Sobald die Steigungen zu steil wurden, so dass man nicht mehr laufen konnte, ging ich einfach zügig bergauf. Die folgenden 3 km von Mürren bis zur Höhelücke (1900 m ü. M.) wurde auch als erste „Wand“ bezeichnet. Doch die Wand machte mir, im Gegensatz zum ersten Teil, keine großen Probleme. Vielleicht muss ich ja einfach nur richtig gefordert werden?
Hier holte ich auch meine Digitalkamera aus meinen Rucksack und machte hin und wieder ein paar Fotos vom Lauf. Doch es dauerte nicht lange, da wurde die Sicht schlechter und es wurde nebelig. Es kam so 6 km vor dem Ziel zu einer mystischen Stimmung. Doch da es nicht regnete, waren die äußeren Bedingungen noch optimal. Nur meine Beine wurden immer schwerer.
In Höhe der Schilthornhütte (2432 m .ü .M.) wurde, wie angekündigt, der Weg hinunter ins Engetal umgeleitet. Hierbei mussten ca. 20 HM bergab und anschließend wieder bergauf gelaufen werden. Der erste Teil, das Bergablaufen, erwies sich als eine echte Erholung für meine schweren Beine. Doch nach der kurzen Bergabphase wurde aus Laufen wieder zügig Wandern. Bei km 18 hörte man schon den Moderator auf dem Schilthorn, der die Läuferinnen und Läufer im Ziel ankündigte. Doch obwohl man nur noch 3 km zu laufen hatte, hat man durch den Nebel das Ziel nicht ausmachen können. Und ich wusste auch, dass der Schlussanstieg noch mal richtig schwer werden würde. Ich hatte also noch 3 sehr harte km vor mir. Kurz nach km 18 setzte plötzlich leichter Regen ein. Im ersten Moment lief ich weiter, aber der Regen wirkte eiskalt auf meiner Haut. Ich hielt an, und zog mir meine Regenjacke und Handschuhe an, die ich in meinen Rucksack dabei hatte. Um Hals kam noch ein Halstuch. Meine Digitalkamera wieder im Rucksack verstaut, ging es weiter bergauf. Erstaunt musterte ich einige Teilnehmer, die in einer kurzen Hose und Axelshirt bei einer Temperatur von knapp über Null Grad liefen. Bei diesen Bedingungen auf einer Höhe von rund 2500 HM ist das meiner Meinung nach einfach nur leichtsinnig!
Doch der Regen war nur von kurzer Dauer. Danach kam kurz die Sonne raus und verschwand dann aber wieder im Nebel. Mittlerweile lief ich hinter einer Schweizerin her, die mich einmal paar Mal fragte, ob ich sie nicht überholen wolle. Doch ich fand das Tempo sehr angenehm und wir kamen ja auch so gut voran. Jedenfalls unter diesen Bedingungen. So blieb ich hinter ihr. Meine Beine spürte ich jetzt deutlich, so dass der Aufstieg immer schwerer wurde. Vor allem meine beiden Waden taten so weh, wie noch nie! Bei jeden Meter den ich höher kam, machten sich meine Waden eindrucksvoll auf sich aufmerksam.
Die letzten 1,5 km bis zum Ziel hatten es aber noch mal so richtig in sich. Hierbei mussten rund 400 HM überwunden werden. Ich weiß nicht warum, aber nachdem mich die nette Schweizerin mal wieder gefragt hat, ob ich sie nicht doch überholen wolle, tat ich es auch. Zügig, mit ziemlicher Anstrengung, wohl auf einen Endorphin-Trip zog ich an ihr vorbei. Doch ich kam nicht weit. Meine Beine wurden mit einem Schlag so schwer wie Blei und ich blieb fast stehen. Tränen schossen mir vor Schmerzen in die Augen. Die Schweizerin ging wieder langsam an mir vorbei und lief mit ihren Freund, der ein Stücken vor uns wartete, weiter. Und ich hinter ihr her. So machten wir drei uns Richtung Gipfel auf. Auf den letzten 1,5 km war an Laufen nicht mehr zu denken. Es war nur noch ein Kraxeln. Teilweise musste man sich mit viel Mühe und Kraft mit beiden Händen an Felsen hochziehen und darauf achten, dass man das Gleichgewicht hält. Das war hart und zerrte an den letzten Kräften.
Doch endlich konnte man im Nebel, ganz verschwommen, das „Piz Gloria“ ausmachen. Das Ziel. Es sind nur noch einige Meter. Ein Mann saß dick eingepackt auf einen Felsen und gab per Funkgerät die Startnummer der vorbei kommenden Teilnehmer durch. Ein paar Meter weiter war ein Fotograf platziert, der von jedem Läufer ein Foto machte. Ich blieb einen Moment stehen, so dass der Fotograf ein schönes Bild von dem Pärchen machen konnte. Danach hat der Fotograf ein Bild von mir gemacht und es ging die letzten sehr steilen Meter Richtung Schilthorn. Es mussten nur noch ein paar Stufen erklommen werden, wo rechts und links ein Geländer angebracht war. Ich zog mich mit beiden Händen daran hoch. Oben abgekommen musste man noch ein paar Meter zu der Aussichtsplattform ins Ziel laufen. Jeder Teilnehmer wurde mit Namen, Land und Wohnort angekündigt. Auf dem Schilthorn herrschten bei meinem Zieleinlauf Temperaturen von Null Grad. Doch als ich im Ziel war, brach für einen kurzen Moment die dicke Wolkendecke auf und die Sonne kam raus. Für einen Augenblick hatte man ein wenig Sicht, und die Zuschauer konnten erahnen, welchen steilen Aufstieg die Läufer bewältigen mussten. Danach zog sich die Wolkendecke wieder zu und es setzte ein leichter Schneeregen ein.
Ich war als Finisher des 16. Inferno Halbmarathons mit einer Zeit von 03:08:29,2 h entkräftet aber überglücklich. Meine Eltern machten im Ziel gleich einige Fotos von mir. Danach ging ich ins Gebäude des „Piz Gloria“ und betrat den Raum, in dem sonst Szenen über den James Bond Film gezeigt werden, der auf dem Schilthorn gedreht wurde. Hier wurde jeder Teilnehmer per Handschlag zu seiner Leistung gratuliert. Anschließend bekam man sein Finishershirt. Für Verpflegung wurde ebenfalls gesorgt. Es gab neben Wasser warmen Tee und isotonische Getränke. Auch Obst, Riegel und kleine Kuchenhäppchen wurden angeboten. Nachdem ich mich umgezogen und gestärkt hatte, gingen meine Eltern und ich noch ins weltbekannte Drehrestaurant „Piz Gloria“ und tranken etwas Warmes. Anschließend ging es mit der Seilbahn Richtung Mürren. Hier hatte aber mittlerweile Dauerregen eingesetzt. Meine Eltern fuhren gleich weiter Richtung Lauterbrunnen. Ich ging ins Sportzentrum, nahm meinen Kleiderbeutet in Empfang und ging duschen. Danach löste ich noch meinen Gutschein für einmal Pasta im gut besuchten Festzelt ein. Jeder Teilnehmer hatte ein Pastaessen frei. Eine schöne Sache. Nachdem ich ein leckeres warmes Essen gegessen habe, bin ich im Regen zur Bahnstation Richtung Lauterbrunnen gegangen. In Mürren kamen mir einige Triathleten auf ihrer letzten Instanz, dem Laufen entgegen. Zu beneiden waren sie aber nicht. Es regnete. Doch was die Halb-Marathonis betrifft, meinte es Petrus noch ganz gut mit uns.
Am späten Nachmittag wurden die Wetterverhältnisse aber auf dem Schilthorn deutlich schlechter so dass der Veranstalter das Ziel bei dem Triathlon auf die Birg (2677 m ü. M.) und später runter bis nach Mürren verlegt hat. Teilnehmer kamen durch diese Maßnahme zum Glück nicht zu schaden.
Mein Fazit zu meinem ersten Inferno Halbmarathon fällt durchweg positiv aus. Die Veranstaltung ist top organisiert. Die Verpflegung beim Lauf ist optimal. Vom Sponsor „isostar“ gab es Power Gel und diverse Riegel. Als Getränke wurde neben Wasser noch heißer Tee und isotonische Getränke angeboten. Die Strecke ist sehr hart und nur für gut trainierte Bergläufer zu empfehlen. Der Veranstalter zeigte durch die Verlegung des Ziels vom Schilthorn bis nach Mürren beim Triathlon seine Kompetenz in schwierigen Situationen. Der Inferno Halbmarathon macht, genauso wie der Jungfrau Marathon, einfach süchtig. Nächstes Jahr werde ich wieder am Start sein. Und dann will ich die 3 Stunden knacken!
© Ansgar Lind, 12.10.2008
Weitere Info's und Berichte zum Lauf:
Kommentare zu diesem Bericht:
- Gratuliere Dir !!! UNSUI 13-10-2008 19:57
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