Tritt ein, bring Glück herein

Stop, leider geschlassen!

 

Mattin Becker zum La Magnetoise (08.03.2010) - Ultramarathon beim Steppenhahn (10.2000)
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Mattin Becker , 08.03.2010

Vom Winde zerlegt

Am Sonntag den 28.02.2010 fegte der Orkan „Xynthia“ mit Windstärken von über 100 km/h über Westeuropa hinweg. Personen- und Bestandsschäden blieben nicht aus. Jeder der konnte verkroch sich zuhause hinterm Ofen. Jeder? Außer einer kleinen Gruppe Unerschrockener die sich in die Ardennen wagte und versuchte dem Wind zu strotzen.

Also traf es sich, dass Markus Flick, Ralf Weis und Mattin Becker sich auf den Weg machten in ein kleines Dorf in der Nähe von Lüttich. Hier in Olne (ein Name der jeden Schlammläufer mit der Zunge schnalzen lässt) trafen wir noch auf Martin Sattler, Markus Theißen, Jochen Kruse und Dieter Ehrenberger, sowie weitere 130 Läufer und 5 Läuferinnen aus Belgien.

„La Magnetoise“ ein Lauf über 65km und 1762 Höhenmeter der nur alle 2 Jahre stattfindet. Vortrefflich und herzlich organisiert von Philippe Kenler aus der gleichen „Baracke“ heraus wie der jeweils Ende November stattfindende Lauf „Olne-Spa-Olne“.

Zum Start im 8km entfernten Magné wurden wir mit Bussen gefahren, die Startlinie bildete der Zebrastreifen an der Kirche. „Allez, Allez“ schallte es kurz vor 08:00h durch das Dorf, die letzten Vorbereitungen wurden hektisch getroffen, die Blase entleert, der Trinkrucksack festgezurrt, Schuhe noch mal geschnürt, und schon ging es unspektakulär los. Bereits nach 400m sollte ein Posten die Läuferschlange nach rechts leiten, allerdings war dieser vom Erscheinen der ersten Läufer überrascht, so dass die Masse erstmal weiter geradeaus bergab rannte. Lautes Rufen ließ sie allesamt wieder umkehren. Glücklicherweise startete ich mit Jochen am Ende des Feldes, so dass wir ohne Umwege auf die richtige Strecke geleitet wurden.

Es sollte aber erwähnt werden, dass die Runde ansonsten vortrefflich ausgeschildert war, und ein Verlaufen selbst dort, wo man keine Zivilisation mehr vermutete, nicht möglich war.

Am Morgen schaute noch der eine oder andere vereinzelte Sonnenstrahl durch die Wolken, allerdings schon nach einer Stunde Laufzeit blähte der Wind sich auf, und blies uns von Westen direkt ins Gesicht. Bodenständigkeit und tief geduckte Haltung war die einzige Möglichkeit vorwärts zu kommen. Schutz boten nur die Täler und die Wälder. Kam der Wind dann mal von hinten, erlebte man einen ungeheuren Schub mit sprintverdächtigem Tempo, blies er von der Seite, musste man acht geben nicht vom Weg in den Stacheldrahtzaun gedrückt zu werden.

Zwischen dem höchsten und niedrigsten Punkt der Strecke lagen kaum 300HM, doch das ständige Auf-und-Ab, in jedes Tal hinein und wieder herauf, ließen letztendlich doch so viele Höhenmeter beisammen kommen wie auf dem langen Rennsteig. Sind die Wege in Thüringen schon fast Autobahnmässig, verlief die Strecke in den Ardennen auf den schmalsten, wasserdurchtränkten Wald- und Wiesenwegen westlich des Rhein.

Den tiefsten Punkt der Strecke, auf 81HM, erreichten wir nach 5km in La Brouck, von dort aus der erste Anstieg durch ein Bachtal hinauf nach Abbaye, wo wir an einer Klosteranlage aus dem 18. Jahrhundert vorbei kamen.
Von hier aus stürzten wir uns wieder 150HM tief auf steilem, steinigen Weg in das Tal der Mosbeux, um auf der Gegenseite gleich die verlorenen Höhenmeter wieder zu erklimmen. Weiter über viele Kilometer Freifläche hart gegen den Wind, entlang der Autobahn, erreichen wir bei KM 24 die erste von 2 Ravitaillement (Verpflegungsstellen). Schutz suchend hinter dem Wagen können wir die Wasser- und Essensreserven auffüllen.
Nachdem wir bei KM 30 die N666 überquert haben, zog sich der Weg über mehrere Kilometer durch einen Wald bergan. Bei Streckenhälfte am höchsten Punkt (368HM) krachte rechts vor mir im Wald gerade eine durch den Sturm entwurzelte Fichte hernieder. Noch mal gut gegangen, Glück gehabt.

Wo sollte es vom höchsten Punkt anders hingehen als bergab. Einem Hohlweg folgend verläuft der Weg mal wieder durch einen Bachlauf, oder läuft der Bach über den Weg? kommt auf´s selbe hinaus. Im folgenden Naturschutzgebiet He de Chession sind die Wege Naturbelassen. Entsprechend matschgeschwängert war nur ein langsames Vorwärtskommen möglich.

Abstieg nach La Reid, vorbei am Friedhof, den gegenseitigen Panoramahang wieder hinauf. In Becco zwischen den Häusern hindurch, befand sich links in einem Unterstand bei KM 44 die zweite Verpflegungsstelle. Depots wieder auffüllen, Soupe de Karrotte, Tee, Cola, Bananen. Weiter ging´s, eine Viehwiese herunter und gegenläufig wieder rauf. Diesesmal hatten wir es nur mit einer Sorte an Viehgattern zu tun, zwar eng, aber Prinzip sofort erkannt.

Auf einem steilen und matschigen Bergabweg kam uns eine Wandergruppe entgegen. Besorgt um ihre saubere Kleidung sprangen sie beiseite. Bei KM 50 erreichten wir bekanntes Terrain. Von nun an kreuzte der Weg immer wieder Passagen des Laufes „Olne-Spa-Olne“. Zwei Kilometer lang folgten wir einem alten Handelsweg aus dem 18. Jahrhundert, seit dem ist hier auch nichts an der Strecke verändert worden. Tiefe Furchen in dem sich größere Seen gebildet haben, zum durchlaufen zu tief, also weitläufig umgehen.

Als nächstes erreichen wir Banneux einen Marienwallfahrtsort. Danach über einen alten Kreuzweg bergab, der den armen Büßern auf Grund seiner steinigen Beschaffenheit etliches abverlangt. Nicht genug der Reue, um Basse-Fraipont zu erreichen, geht es nicht über den Talweg sondern über Haute-Fraipont, welches uns mit einem schönen Ausblick entschädigt.

Wiederum das Tal der Vesdre überquert und die letzten 5km in Angriff genommen. Der erste zog sich lang bergan, um in Hansez wiederum vom Wind zerlegt zu werden. Anstatt jetzt auf der Höhe zu bleiben, und die wenigen Kilometer bis ins Ziel direkt in Angriff zu nehmen, schickte uns der Veranstalter rechts frei über Wiesen laufend, hinab ins nächste Tal. Mehr rutschend als laufend erreichten wir Nessonvaux. Die Konzentration ließ nach, und ich verpasste eine Markierung im Ort. Glücklicherweise pfiff mich der nachfolgende Läufer noch zurück, bevor ich den nächsten Berg schon hinauf war. Also die 200m wieder zurück und hinter ihm her. Zick-Zack durch den Ort erreichten wir einen Hohlweg der sicher die letzten zwei Jahre nicht mehr benutzt worden ist, außer von den Wassermassen die uns entgegen fließen.

Auch dieser Weg hat ein Ende, rechts unterhalb erkannte ich die Passage die uns vor 1 ½ Jahren beim O-S-O-Lauf ins Ziel geführt hat. Anstatt dort auf festem Boden zu laufen, jagte uns der Veranstalter über einen morastigen Wiesenweg bis zu den ersten Häusern von Olne.

Der letzte Kilometer war erreicht, jetzt nur noch 400m bergan zum Funkmasten, halblinks war schon die Flutlichtanlage des Sportplatzes zu erkennen. Auf die Zielgerade eingebogen, brachte mich der jetzt direkt von vorne blasende Wind zum Stehen. In Sprintermanier auf dem Vorderfuß, tief gebückt wie die Anschieber beim Bobrennen, kämpfe ich mich Meter für Meter voran. Endlich, der Weg war mit Flatterband abgesperrt, rechts noch eine kurze Anhöhe hinauf, auf das Zielhaus zu. Hinter dem Fenster sitzt jemand an der Zeitnahme, tippt die Nummer in den Computer ein. Niemand hält sich draußen auf, es wäre auch eine Zumutung gewesen, dafür wird drinnen ein jeder Finisher wie ein Held empfangen.

Ralf Weis erreicht das Ziel als 11. in 6:39h; Markus Flick als 27. in 7:18h; Jochen Kruse als 42. in 7:45h und Mattin Becker als 63. in 8:13h.

Nachdem der Schlamm unter der Dusche abgekratzt wurde, gab es noch ein schönes Finisher-Shirt, ein großen Teller warmes Essen und ein verdientes Bier, und das alles für 15,00€ Startgeld; einfach grandios wie die Belgier das alles hinbekommen.

Wirklich ein toller Lauf, der wenn er nicht im Winter stattfinden würde auch nicht so sauschwer wäre, aber das ist ja gerade der Reiz.


© Mattin Becker, 08.03.2010

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