Tritt ein, bring Glück herein

Stop, leider geschlassen!

 

Christiane Zehrer zum Landkreislauf Gifhorn (08.01.2007) - Ultramarathon beim Steppenhahn (10.2000)
Alle zeigen - Bericht von Christiane Zehrer zum Landkreislauf Gifhorn:
Christiane Zehrer , 08.01.2007

Auf den Spuren der ersten Siedler

12. Gifhorner Landkreislauf von Wunderbüttel nach Meine am 6.1. 2007

Es ist noch stockdunkel, als ich mich, ultra-üblich, für einen Samstag viel zu früh aus dem Bett wälze und ebenso dunkel, als ich auf dem Parkplatz des Dorfgemeinschaftshauses Wunderbüttel ankomme. Außerdem regnet es, und außer mir ist keine Menschenseele da. Da dies schon der 12. Lauf dieser Art in Gifhorn ist, gehe ich fest davon aus, dass zumindest einige Hartgesottene den Weg zum Start trotzdem finden werden. Tatsächlich beginnt sich der kleine Platz, auf dem auch ich parke, bald mit Autos und Menschen zu füllen. Landrätin und Schirmherrin Marion Lau, die uns, wie schon im Vorjahr, auf die rund 66 Kilometer lange Strecke schicken wird, hat glücklicherweise auch das Gemeinschaftshaus aufgeschlossen, so dass nun alle „noch mal Pipi“ gehen können. Unter dem Dach wärmt sich die Menge wärmt mitsamt Gepäck und im Regenzeug. Chef-Organisator Arne Duncker schäkert, der Wetterbericht habe besseres hoffen lassen; dann erklärt er kurz die Regeln (Laufen in der Gruppe, regelmäßige Stopps mit Verpflegung, an denen jeder auch an die eigene, mitgeführte Tasche kann…) und erläutert, dass wir heute auf den Spuren der ersten Besiedler des Papenteichs (eine Samtgemeinde im Gifhorner Südkreis trägt noch heute diesen Namen) wandeln und dabei drei Orte anlaufen werden, die in diesem Jahr „1000 Jahre urkundliche Erwähnung“ feiern. Und los geht’s!

(0,0 / 66,5) 08:00 Wunderbüttel, Dorfgemeinschaftshaus - Start durch Landrätin Marion Lau
(4,8 / 61,7) 08.33 Knesebeck, Bromerstraße
(15,5 / 51,0) 09:46 Transvaal, südl. Ortseingang
(25,1 / 41,4) 10:51 Stüde, Marathon-Startlinie am Bürgerhaus
(29,6 / 36,9) 11:23 Brücke Elbe-Seitenkanal, Straße Westerbeck-Grußendorf
(37,4 / 29,1) 12:19 Dannenbüttel, Sportplatz
(40,7 / 25,8) 12:45 Osttangente Gifhorn, Einmündung Feldweg v. Dannenbüttel
(44,1 7 22,4) 13:16 Gifhorn, Meilenstein in der Fußgängerzone Nähe Nikolaikirche. Ende Marathon. Einstiegspunkt Halbmarathon.
(49,5 / 16,7) 13:57 Winkel, Lönskrug
(53,0 / 13,5) 14:24 Ribbesbüttel*, Dorfstraße, Schloß - 1000jähriges Jubiläum
(56,4 / 10,1) 14:51 Druffelbeck
(58,9 / 7,6) 15:13 Rötgesbüttel, Bürgerhalle
(64,1 / 2,4) 15:53 Ohnhorst* - 1000jähriges Jubiläum
(66,5 / 0,0) 16:06 Sportheim TSV Meine* - Ziel - 1000jährigen Jubiläum
* Orte , die 2007 1000jähriges Jubiläum feiern
Quelle: www.martin-pahl.de

Auf der ersten Etappe nach Knesebeck geben und Wetter und Bodenbeschaffenheit bereits einen guten Eindruck, wie mühsam es für steinzeitliche Siedler gewesen sein muss, sich in dieser morastigen Gegend voranzubewegen. Ernüchtert stellen wir fest, dass aber auch heutige Laufbekleidung bei Schmuddelwetter weder selbsttrocknend noch gleichzeitig wasserdicht und atmungsaktiv ist.
Nach dem Stopp in Knesebeck stehen uns die beiden längsten Einzeletappen des Laufes über 9,7 und 9,8 Kilometer bevor. Aus Knesebeck hinaus folgen wir zunächst der Strecke des bekannten 10-KM „Einhorn-Laufes“, und passieren eine Steigung, die bei besseren Wetterverhältnissen Treibsand ist und schon einige übermütige Favoriten zu Fall gebracht hat. Danach geht es längs der Teststrecke, zunächst noch unter freiem Himmel, dann schließt sich das Dach aus Baumkronen unter uns, während der Morast bei unkonzentrierten Pechvögeln leicht auch mal bis zu den Knöcheln reicht. Trockene Füße hat jetzt wohl niemand mehr. Der heiße Tee, den uns das Begleiter-Team vor dem Wohnmobil reicht, beginnt nun bereits zur echten Wohltat zu werden. Doch schon geht es weiter nach Stüde - der Regen hatte aufgehört, der Matsch blieb.
Am Bürgerhaus Stüde werden wir herzlich empfangen. Wer bis hierher gekommen ist, hat rund 25 Kilometer geschafft. Die sich nicht mehr vorgenommen haben, steigen aus. Der Rest stärkt sich an Tee und Keksen, bis der Tross den Ort auf dem ersten Streckenkilometer des dortigen Marathons verlässt. Auf der nun folgenden kurzen Etappe gibt es eine Besonderheit: Wer möchte (und noch kann) darf seiner Lust auf Tempo einmal freien Lauf lassen. Da auch der Boden dies hier, längs des Kanals, zulässt, nahm auch ich die Chance zum Zwischenspurt wahr. Ob dieser Übermut oder doch mein allgemein schlechter Trainingszustand schuld war? Jedenfalls beginne ich ab jetzt, die Strecke in motivationsfördernden Einheiten zu bemessen: „bald mehr als ein Drittel geschafft, demnächst den Marathon in der Tasche, beim nächsten Stopp die 50K überschritten…“
Die nächste Etappe zieht sich mit ihren 7,8 Kilometern endlos hin. Außer Morast und unscheinbaren Anstiegen, die wir im Tross hochtrotten, was mich regelmäßig den Rhythmus kostet, tut es besonders weh, erst noch den Ort durchqueren zu müssen, bevor unsere beiden weißen Begleitfahrzeuge wieder in Sicht kommen. Ich rede mir ein, dass es beim Marathon nach 35 Kilometern ja auch schon wieder besser wird. Kürzere Etappen sind nun angekündigt, die „gefühlte“ Länge derselben bleibt für mich allerdings gleich. Unser nächster Halt ist ein kleiner Meiler am Waldrand. Wir rasten auf einem Schotterweg und ich nutze den Zaun eines kurz vor dem Verfall stehenden Hauses für das, was man in einem „frischeren“ Zustand auch als Dehnübungen erkennen könnte. Kann man nicht, und so wird mir klar, dass selbst dass heute alles jenseits des Marathons letzte kleine Stück dieser Tour für mich noch zur großen Herausforderung werden könnte. Nach einer weiteren Etappe von rund 4 Kilometern kommt Gifhorn – und damit das „Marathonziel“ in Sicht. Ich sehe das Mühlenmuseum von Weitem, doch irgendwie wäre es mir lieber, wir würden anstelle eines „Schlenkers“ durch den Schlosshof, der allerdings dank Torbögen, die sich unter einem Gebäude von ungefähr 10 Metern Breite hindurchspannen, und Kopfsteinpflaster ein durchaus uriges Gefühl vermittelt, einfach direkt unser Ziel ansteuern, den Marktplatz. Als wir dort ankommen, werden wir für unsere Mühen aber mit „großem Hof“ empfangen: diejenigen Leute, die sich nicht gänzlich unerwartet von einem für sie wohl unendlich scheinenden Läufer-Trek umfangen finden, Klatschen und Jubeln uns sogar ein bisschen zu, und natürlich blitzt es auch aus der Kamera der Lokalzeitung…

Ich glaube, die meisten, die von Anfang an dabei sind, genießen die längere Pause sehr, einige steigen hier nach überstandenem Marathon aus. Dafür bekommen wir jetzt am Nachmittag einen ganzen Trupp Neueinsteiger, die bis zum Endpunkt in Meine noch einen Halbmarathon bewältigen möchten, darunter auch einige mir bekannte Marathonis und Ultras vom MTV Braunschweig. Nochmal alle fotogen längs der rot gepflasterten Haupteinkaufsstraße aufgestellt, und schon geht es ans letzte Drittel der Reise. Als wir nach weiteren fünf Kilometern durchs Stadtgebiet von Gifhorn das mit vereinzelten hohen Bäumen eingerahmte Naherholungsziel „Winkel“ erreichen, fragen mich meine Beine, ob wir denn wirklich wieder los müssen. Halb werde ich von meinem eigenen Ehrgeiz, halb von einigen Mit-Läuferinnen mitgerissen, die mir gut zureden. Dann erreichen wir den ersten der drei Jubiläums-Orte, Ribbesbüttel, wo der Empfang durch eine begeisterte Menge für einige Strapazen entschädigt, was fast noch mehr für den heißen Tee gilt. Wir verlassen den Ort Richtung Druffelbeck; ich habe nicht aufgepasst, meine Tasche mit den jetzt lebenswichtigen Lebkuchen befindet sich in dem Begleitbus, der diese Station nicht anfährt. Viel zu erschöpft, um missmutig zu sein, lasse ich mich auf einem Stein nieder, der wohl sonst der Verkehrsberuhigung dient, und betrachte das Treiben auf dem Hof des rot geklinkerten Ensembles ländlicher Häuser wie in Trance – mit einem Anflug von Verzweiflung. „Die ‚50’ bereits überschritten, gleich nur noch 10“, rede ich mir gut zu. Meine Beine wollen nicht mehr, und als uns ein „Späher“ des Begleitfahrzeugs in Rötgesbüttel souffliert, wir mögen doch bitte gemeinsam einlaufen, das Dorf würde uns einen Riesen-Empfang bereiten, nehme ichs zur Kenntnis und trotte weiter zwischen all den anderen über das neue Straßenpflaster, Rechtskurve vor der Kirche, Gejubel. In meinem Zustand entschädigt aber auch das nur noch unbefriedigend, nach einem roten Tee versuche ich zunächst, meine überspannten Beinmuskeln am rauchenden Feuer zu wärmen. Als auch das nicht wirkt, liege ich irgendwann einfach in einem Zustand zwischen fröstelnd und schweißgebadet auf dem Rücken, und hoffe, dass es nicht so schnell wieder weitergeht.

Geht es denn aber doch, und bereits als wir den Ort gerade hinter uns gelassen haben und auf einem Schotterweg über das freie Feld traben, bereue ich bitter, nicht auf meine Vernunft gehört zu haben und in Rötgesbüttel ausgestiegen zu sein. Doch wie heißt es so schön: Die Gruppe trägt dich. Tatsächlich stelle ich mich so erbärmlich an, dass mir jemand genau das anbietet! Stattdessen falle ich auf den alten und schlechten Motivationstrick herein, und lasse mir erzählen, dass wir ja „hinter der nächsten Ecke“ bereits da wären. Doch weit gefehlt. Wir traben in eine Pappelallee hinein, der grasüberwucherte Untergrund wird langsam zum Waldboden, und als wir den Wald wieder an einer Landstraße verlassen, die sich in einer langen Kurve auf den Etappenzielort Ohnhorst zuschlängelt, wäre eigentlich der Punkt gekommen, wo ich die Schwindler lügen hätte strafen und meiner Vernunft folgend aussteigen sollen. Stattdessen kommt irgendwoher wieder Kraft. Jetzt sind die „60“ längst überschritten. Wir kommen ins Dorf, und noch einmal geht es eine endlos lange Straße entlang. Vor mir gehen sie. Ich denke nur „durchhalten“, wundere mich, dass meine Beine mir gehorchen.

Die Mühe hat sich gelohnt. Der kleine Ort Ohnhorst hat tatsächlich seine ganze Einwohnerschaft aktiviert, um uns einen wunderbaren Empfang zu bereiten: aus drei von dem zentralen Platz aus sichtbaren Gehöften sind 80 bis 100 Menschen zusammengeströmt. Es gibt sogar Limo (die ich nur beim Laufen trinke, und da auch nur, wenn es mir „super-schlecht“ geht), und die netten Helferinnen verraten uns mit „Multivitaminsaft, Rotbuschtee und etwas Traubenzucker“ das Rezept für ein Laufgetränk, dass selbst halb Tote noch über die letzte Etappe nach Meine tragen würde.

Mit einer Eskorte aus Ohnhorster Einwohnern geht es schließlich auf die letzte Etappe, vorbei am Papenteich nach Meine. Straße, Feldweg, dann eine völlig vermatschte Steigung, und wir können den Papenteich sehen. Das „Wasserloch im Moor“ mit den vereinzelt sich dahinduckenden Birken und dem harten Gras, über das wir stapfen, lässt ein bisschen die Furcht einflößende Magie erahnen, mit der sich die steinzeitlichen Siedler ihrem neuen Domizil nährten. Schnell bricht die Dämmerung über uns herein, wir sehen das grell erleuchtete Sportheim in Meine und laufen, die „Durchhalter“ voran, unter dem Zielbanner durch.

Stolz kann ich wohl auf diese Übermuts-Tat nicht sein. Die heiße Dusche tut trotzdem gut, auch wenn sie den Matsch, der über 66 Kilometer eine Symbiose mit meiner aufgeweichten Haut eingegangen ist, nicht beikommen kann. Gesellig und bei einem alkoholfreien Weizen klingt der Lauftag aus. Von dieser Stelle aus sei dem „Streckenvermesser“ und ewigen „Pfadfinder“ Arne Duncker gedankt – und Martin Pahl, dem aktivsten aller Fahrradbegleiter und Verpflegungs-Wohnmobil-Fahrer!!!


© Christiane Zehrer, 08.01.2007

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