Tritt ein, bring Glück herein

Stop, leider geschlassen!

 

Elisabeth Herms-Lübbe zum Seilersee 24-Stundenlauf-Event (29.04.2008) - Ultramarathon beim Steppenhahn (10.2000)

Zufälliges Zitat

"Auch wenn die Zeichen gerade alle gegen dich stehn und niemand auf dich wetten will, du brauchst hier keinem irgendeinen Beweis zu bringen, es sei denn es ist für dich selbst!"

Die Toten Hosen

Nächster Ultramarathon

Alle zeigen - Bericht von Elisabeth Herms-Lübbe zum Seilersee 24-Stundenlauf-Event:
Elisabeth Herms-Lübbe , 29.04.2008

Gelaufene Geburtstagsfeier



Zu seinem 60. Geburtstag hatte Bernd Nuß aus Iserlohn eine großartige Idee und viel Mut: Er lud zu einem 24-Stunden-Lauf ein. Das ist umso bewundernswerter, weil er selbst noch gar nicht so lange Ultramarathons läuft. Ort des Geschehens war der Seilersee bei Iserlohn im Sauerland. Eins schöne und abwechslungsreiche Strecke führt rund um den See, 1,620 km eine Runde, nicht ganz flach, unterschiedlicher fester Bodenbelag, ein wenig Schotter. Man lief durch Sportgelände und Wald, vorbei an Kleingärten, über eine Sperrmauer und unter zwei Autobahnbrücken durch. Es gab keine Startgebühren, dafür waren Spenden für Kinderhilfsprojekte in Tibet und in Iserlohn erbeten.

Als ich dort ankam, waren Zelte aufgebaut, es gab ein reges Gewusel und gespannte Erwartung. Denn es sollte ein großes Lauf- und Sportfest geben, nicht nur für Ultraläufer, sondern auch für Kinder und für die heimische Feuerwehr. Einige Läufer wollten nur Teilzeit laufen, zum Beispiel zwischen zwei Arbeitstagen die Nacht hindurch. Außerdem beteiligten sich Bernds Sportsfreunde aus dem Fitnessstudio auf ihre Weise: sie bauten Spinningräder unter der Autobahnbrücke auf.

Zur Begrüßung wurde ich von Bernd herzlich umarmt. Mir war, als sollte das auch ausdrücken: Ich zähl auf dich, du gibst meiner Veranstaltung Festigkeit. Ja, tu ich doch gerne. Denn einige wankelmütige Geister hatten noch kurz vorher ihre Teilnahme abgesagt.

Vor dem Start zum 24-Stunden-Lauf sprach die Bundestagsabgeordnete noch einige Worte. Auch wenn sie nichts mit Laufen zu tun hatte, war sie doch ehrlich beeindruckt von dem, was da auf die Beine gestellt worden war. Eigentlich, so muss ich sagen, war es auch an der Zeit, dass Iserlohn als Partnerstadt von Biel mal vorgeführt bekam, wie man 100 km oder mehr läuft.

Und auf ging es. Eigentlich sollten wir die erste Runde um den See gemeinsam machen, aber das Vorderfeld rannte dann doch ziemlich schnell davon. Die Staffelläufer von der Feuerwehr hatten mit Sicherheit auch noch kein Gefühl dafür, wie langsam man so etwas beginnt.

Die Strecke war exakt vermessen, die Rundenzählung funktionierte hervorragend: nach jedem Durchlauf durch eine Toranlage erschien der Name des Passanten ganz oben auf einem Bildschirm, mit Rundenzahl, Kilometern und aktueller Platzierung. Das war richtig komfortabel.

So zogen wir dann unsere Runden. Mittags war der Start gewesen, es war angenehm warm und manchmal schien die Sonne. Die Bäume fingen an, ihre Blätter auszutreiben und die Kleingärtner brachten vorgetriebene Topfblumen in ihre Gärten, um sie auszupflanzen.

Bernd war als guter Gastgeber bestrebt, mit jedem seiner Gäste ein Stück zu laufen, wenn er sich nicht zwischenzeitlich um dieses oder jenes bei der Organisation kümmern musste. Zum Beispiel um den Kinderlauf, der bald begann. Die Kinder liefen auf einer 800-Meter-Strecke, die zum Teil auf unserer Strecke war, und sammelten mit Punktekarten um den Hals Runden, unterstützt von Eltern, Großeltern und unermüdlichen Erzieherinnen, jedes Kind nach seinem eigenen Tempo und Rhythmus. Hätte mir das als Kind Spaß gemacht? Vielleicht ja, aber ich war damals ziemlich faul und eigensinnig, man hätte mich schon gut motivieren müssen.

Nach vier Stunden waren die Kinder fertig, und es war Zeit fürs Abendessen: tibetanische Teigtaschen, viel Spinat drin, richtig gut. „Betreutes Wohnen“ auf der Strecke, so hatte Bernd es gewollt. Dann ging es mit den Spinningrädern los. Vorne sagte ein Instruktor an, wann man Bergfahrten einzustellen hatte usw. Die Dämmerung begann, irgendwann wurden die Räder weggeräumt, die Musik abgestellt, die Nacht begann. Vorher hatte das Technische Hilfswerk auf der Waldseite des Sees Licht aufgebaut, riesige Lampions und unter einer Autobahnbrücke Flutlicht. Das konnten die Skater, die dort einen Übungsplatz haben, gleich mitnutzen und eine Sonderschicht einlegen. Ja, es fehlte an nichts. Es gab auch mal Pizza zwischendurch, da hatte ich aber gerade keinen Appetit.

Die Nacht kann man einteilen in vor dem Regen und nach dem Regen. Weit nach Mitternacht setzte ein heftiger, kalter Guss ein. Da war Ruth gut gerüstet. Sie war schon die ganze Zeit mit einem zarten Plastikcape im Gürtel herumgelaufen. Etwas bizarr und überflüssig hatte es vorher ausgesehen, wie die feinen Hautflügel, die bei Käfern manchmal unter den Deckflügeln hervorlugen. Das zog sie über. Wegen der Weite gebe es keinen Hitzestau darunter, Funktionskleidung für einen Euro aus dem Baumarkt. Der Regen trieb viele Läufer von der Strecke, sie gingen schlafen. Ich versuchte das auch, aber in meinem Auto liegend fror ich so sehr, dass ich schon bald wieder lief. Bloß nicht noch ein Guss, dachte ich, dann hätte ich in meiner normalen Reisekleidung weitermachen müssen.

Einmal lief ich mit Christian zusammen. Er erzählte mir, dass er einmal Rosie persönlich kennen gelernt habe, die Weltumrunderin, über die ich manchmal berichte, ein verrücktes Huhn, aber absolut authentisch und glaubwürdig.

Der Morgen zog herauf, die Hähne krähten. Ich war schon längst am Wandern. Ich hatte wieder die Ehre, ein Stück Wegs mit dem Geburtstagskind zurückzulegen. Einen Marathon im alten und einen im neuen Lebensjahrzehnt zurücklegen, das hatte Bernd sich vorgenommen bei seiner Veranstaltung, was ihm dann auch problemlos gelang. Mit 60 Jahren sei nun die Frage, wie man das Leben fortführen wolle, die Gegenwart verwalten oder die Zukunft gestalten. Er wolle einen deutlichen Schwerpunkt auf die aktive Gestaltung seiner Zukunft legen, und dabei habe das Laufen einen hohen Stellenwert. Früher habe er geraucht und sei auch schon mal dick gewesen. Ja, wer nicht? Bei den Ultraläufern findet man öfter welche mit Hang zum Übergewicht. Warum wird ein Mensch dick? Weil er gesund ist und einen ökonomischen Stoffwechsel hat. Und warum kann einer so lange Strecken laufen? Gleicher Grund. So sehe ich den Zusammenhang.

Während der letzten Stunden führte ich Jeffrey, der blind ist. Er hat schon mal die Ironman-Distanz von Roth bewältigt und wäre wohl eigentlich schneller als ich, aber müde war auch er. Ich hätte ihm noch viel mehr von der Strecke erzählen sollen. Wenigstens die stählerne Orchidee, die 12 Meter hoch als Kunstwerk aus dem See ragt, habe ich ihm nicht vorenthalten. Mit wachem Kopf hätte ich noch mal richtig hingesehen, mir Schwerpunkte überlegt und mir richtig Mühe geben können beim Schildern.

Schließlich war es Zeit für das Schlusssignal. Jeder Läufer sah zu, dass er einen Stuhl abbekam. Die Freude war groß, dass alles vorbei war und alles gut geklappt hatte. Bei der Siegerehrung gab es sogar Medaillen für die 24-Stunden-Läufer, Bernd hatte an alles gedacht. 23 Läufer über die 24 Stunden wurden gelistet, 21 von ihnen hatten über 100 km geschafft. Sieger waren bei den Männern Bernd Wagner mit 194,57 km, bei den Frauen Ruth Jäger mit 160,52 km. Ich selbst habe 121,6 km geschafft. Wegen der allgemeinen Müdigkeit driftete alles schnell auseinander, aber so ist das nun mal.

Ja, das gibt wieder eine richtig gute Erinnerung. So anstrengend und zeitweise etwas unangenehm ein Lauf sein kein, so gut wird später, wenn alles bewältigt ist, die Erinnerung daran. Meine letzten Jahre weisen einige solcher Glanzlichter auf, für die ich sehr dankbar bin.

Auf dem Rückweg nach Kassel fuhr ich mit meinem Mann durch das Kyrillgeschädigte Sauerland zu einem Fabrikverkauf für Strümpfe. Mein Mann schlug zu: einen Sockenvorrat für die nächsten Jahrzehnte. „Meine Frau läuft immer, die stopft keine Socken!“ Ich stand dabei in meinen etwas eleganteren Schuhen und fühlte mich wie Aschenputtels Schwestern: „Ruckediguck, Blut ist im Schuck, der Schuh ist zu klein…“ Aber das war es dann auch schon, was mir schmerzte, bis auf Muskelkater in dem einen Arm, den ich beim Führen von Jeffrey etwas anders gehalten hatte. Auch dafür, dass ich alles so gut überstanden habe, bin ich sehr dankbar.

Fotos auf meinem Space http://isasport.spaces.live.com





© Elisabeth Herms-Lübbe, 29.04.2008

Weitere Info's und Berichte zum Lauf:


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