Tritt ein, bring Glück herein

Stop, leider geschlassen!

 

Christiane Zehrer zum Klingenpfadlauf (04.08.2008) - Ultramarathon beim Steppenhahn (10.2000)
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Christiane Zehrer , 04.08.2008

Neun auf einen Streich!

Es ist etwas trübe, als sich ein buntes Völkchen morgens um 7 auf dem Gräfrather Marktplatz einfindet. Die am hellsten leuchten, sind die neongelb beshirteten Start- und Zugläufer, auf deren Rücken eine 7:00 an die angepeilte Laufgeschwindigkeit mahnt. Schnell noch für die gesamte Strecke nachgemeldet und das Gepäck in den Begleitfahrzeugen verstaut, dann geht es auch schon los. „Neun auf einen Streich“ wollen wir angehen, so viele Etappen zählt der Klingepfad, ein Wanderweg rund um Solingen. Für uns Läufer gibt es allerdings den einen oder anderen Stopp mehr.

Die Gesichter trüben sich, als die allerersten Schritte allen Ernstes auf nicht wenigen Treppenstufen zur örtlichen Kirche hoch führen, und auch die ersten vier Etappen des Laufes werden es in sich haben. Die Steigungen - insgesamt 1700 Meter hoch und runter - verlassen uns auf diesem Streckenabschnitt fast nie. Und wenn wir dann endlich mal oben sind, „verlieren“ wir die mühsam erkämpften Höhenmeter hinter einer Spitzkurve auf kürzestmöglicher Strecke, linker Hand immer das Flüsschen Wupper, das dem Ausblick mit seinem steinigen Grund und der sichtbaren Kälte des Wassers alpines Flair verleiht.
Die Verpflegungspunkte liegen glücklicherweise nahe beieinander. Das Team des Laufs macht einen super Job, schafft es immer wieder, innerhalb von ca. 30 Minuten (5-6 gelaufenen Kilometern) zum nächsten Punkt zu kommen und dort ein Buffet mit Wasser, Schorle, Iso, Cola sowie süßen und salzigen Leckereien aufzufahren. Dafür an dieser Stelle vielen, vielen Dank!

Am Anfang ist es noch leicht, wieder anzutraben, und je hügeliger die Abschnitte, desto mehr mache ich meinem alten Ruf als Bergziege Ehre, die hier ohne Mühe an allen vorbeizieht ;-) Noch gibt es allerdings nicht wirklich etwas zu leiden, die Luft ist angenehm kühl, wir laufen unter der Müngsterner Brücke hindurch, links immer die Wupper, rechts der Wald und dann bald der dritte Verpflegungspunkt „Bahnhof Schaberg“. Das sind dann immer die Orte, an denen ich mir ein wenig verrückt vorkomme - warum so viel Laufen in Zeiten der bereits erfundenen Dampfmaschine.

„Alle wieder fit?“ fragt Organisator Hans-Jürgen durch sein Mini-Megaphon. Doch selbst wenn nicht, würde er uns jetzt auf die nächsten 5,5 Kilometer schicken. Flach ist etwas anderes, stellenweise sind die Pfade schmal, die sich die Läuferkarawane mühsam hinaufschlängelt und dann sehr vorsichtig wieder herunter gehen muss. Auf den etwas breiteren Wegen laufen wir zu zweit oder zu dritt nebeneinander. „Gleich haben wir Halbmarathon“, merke ich an, „ein Viertel der Strecke“, sagen andere und eine erste Spur vorsichtigen Optimismus’ geht durch die Gruppe. Dann machen wir auf dem Parkplatz eines Tennisclubs halt und stärken uns für die mit 10,5 Kilometern längste Etappe des Laufs.

Mit der Streckenführung rund um die Solinger Talsperre ist sie zur Entschädigung auch die schönste. Zunächst erscheint das Wasser nur wie ein überwucherter Tümpel, der immer mal wieder rechts zwischen dem Braun der lichten Nadelhölzer durchscheint. Doch obwohl die Etappe als relativ Flach angekündigt ist, gewinnen wir uns schlängelnd laufend an Höhe und damit an schöner Aussicht. Irgendwann ist das Wasser türkis, die Bäume - weggerissen vom Wirbelsturm Kyrill - geben die Sicht frei und alles erinnert an Lake Tahoe in Kalifornien, nur dass es schöner, wirklicher und in unserem Fall auch härter erarbeitet ist. Gern wäre ich noch über die begehbare Staumauer gelaufen, doch diese lassen wir (rechts) liegen für einen mal wieder rasanten Abstieg ins Tal, wo uns nach Überquerung eines Holzsteges in Crosslauf-Manier und 2 Minuten laufen längs der Straße unsere Mittagspause erwartet. Damit haben wir 33 Kilometer hinter uns. Beim Marathon könnte es jetzt anfangen weh zu tun. Der Ultra hat glücklicherweise andere Gesetze, und so traben wir wieder an. Es geht weiter durch den Wald, und beim übernächsten Stopp werden wir die Schallgrenze „Marathondistanz“ durchbrochen haben.

Dann traben wir auf die „50“ zu. Die Strecke wird zusehends flacher, die Landschaft offener, Kornfelder wehen auf Hügeln unter dem Himmel, der sich zu unserer Freude zwischenzeitlich wieder zugezogen hat. Einigen fällt der Wiedereinstieg nach eingenommener Verpflegung nun sichtlich schwer. Sie können das Tempo wohl gar nicht mehr mitgehen, das Feld reißt auseinander, und während die einen sich gerade am Anfang des zu durchquerenden Wohngebiets befinden, sind die anderen bereits wieder auf einem Wald-Wanderweg. Als Teil einer Ausreißergruppe - die es ja eigentlich bei einem Freundschaftslauf nicht geben sollte - lasse ich es erst einmal rollen und erreiche so relativ fit den Parkplatz Haasenmühle, wo man doch glatt das Angebot des Museumswirts mit unseren Verpflegungsständen verwechseln würde.

Noch fühle ich mich wirklich fit. Es geht weiter über ein paar Waldwege mit leichten „Dellen“, Pfade unmittelbar am Stadtrand, die nur der Zaun jeweils von den Gärten getrennt sind. Einige meiner Mitläufer wohnen hier, trainieren auf diesen Wegen und können so immer genau sagen, wann es noch mal „hart“ wird. Insgesamt gibt es dazu allerdings wenig Anlass. Diese Etappe hat 8,5 Kilometer, an ihrem Ende werden wir „nur“ noch 15 vor uns haben. Auf jeden Fall zu wenig, um aufzugeben. Wir laufen über freies Feld, manchmal stehen Pferde auf der Weide, manchmal wiegt sich einfach nur der regenbeschwerte Weizen langsam im Wind. Kurz danach biegen wir in einen Wald ein, der in einem Wohngebiet endet. Vom Sportplatz dringen die schreie eines Spiels der örtlichen Fußball-Liga ans Ohr. Noch ein wenig Abkühlung im Wald, dann sind die 8,5 Kilometer geschafft, und auf einem rummeligen Parkplatz werden wir von etwas überrascht, was uns nun auch nicht mehr wirklich stört: Regen.

Wie die begossenen Pudel stapfen wir durch das Wohngebiet Ohligs. Die Etappe ist wirklich nicht ansehnlich. An einer Ampel neben der Hauptstraße streiten wir im Spaß, ob denn jemand den Anforderungsknopf gedrückt hat - und laufen dann doch bei rot ;-)
Bald macht der Regen einer vom Asphalt abstrahlenden Schwüle platz. Wir tauchen immer mal wieder in den Wald ein, wo die Sonne von den Blättern abgehalten wird und den Weg in ein freundliches Licht taucht. Wo sich eine Ausreißergruppe findet, gebe ich Gas, denn in diesem Stadium ist es nicht das Tempo, das fertig macht, sondern die Zeit auf der Strecke. Vor Schweiß und Regen klebend erreichen wir die Heidberger Mühle in Haan. Einige einheimische Läufer treffen hier ihre Familien, andere erzählen von Steigungen, die angeblich noch zu überwinden seien. Mir kommt es vor, als wäre auf dem leicht hügeligen Pfad unter tief hängenden Zweigen die Zeit stehen geblieben. Ruhe umgibt uns, wir „lassen laufen“, passen nur ein bisschen auf, wo wir die Füße hinsetzen. Ein, zwei Anstiege unter dem sich wiegenden Blätterdach mit Blick ins Weite, dann durch ein Wohngebiet und ein kurzer Sprint auf Asphalt. Vor dem Ortseingang von Gräfrath wird gewartet. Die Läufer sammeln sich für den gemeinsamen Einlauf auf dem Gräfrather Markt, wo uns das erwartet, worauf wir uns insgeheim schon vor diesen 9 Etappen des offiziellen Wanderwegs rund um Solingen gefreut haben - Applaus, Essen und alkoholfreies Bier.


© Christiane Zehrer, 04.08.2008

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