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Stop, leider geschlassen!

 

Rainer Herzog zum Rallarvegsløpet (15.11.2008) - Ultramarathon beim Steppenhahn (10.2000)
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Rainer Herzog , 15.11.2008

Rallarvegsløpet – eine noch unentdeckte norwegische Laufschönheit


Im Sommerurlaub sollte es nach Norwegen gehen, doch noch fehlte in der finalen Urlaubsplanung der obligatorische Laufevent. Nach einigen Stunden intensiver Internet-Recherche stieß ich schließlich auf den Rallarvegsløpet, der am 26. und 27. Juli stattfinden sollte. Auf der Homepage wurde diese Veranstaltung als zweitägiger Etappenlauf (54km + 27km) auf dem Rallarvegen beschrieben. Der Rallarvegen ist ein über hundert Jahre alter Versorgungsweg, der entlang der damals geplanten Eisenbahntrasse von Oslo nach Bergen zur Beförderung von Material und Arbeitskräften angelegt wurde. Heutzutage wird der Weg fast ausschließlich touristisch genutzt. Vor allem Fahrradfahrer, aber auch Wanderer erkunden auf dem Rallarvegen die Hochebene des nördlichen Hardangerviddas. Typischerweise wird diese Route von Haugastøl (991 Meter über dem Meeresspiegel) aus bewandert oder befahren, um dann den Höhenvorteil bis zum Zielort Flåm (am Fjord und damit auf Meeresspiegelhöhe gelegen) kräfteschonend abzubauen. Ungeachtet dessen verläuft der Rallarvegsløpet in entgegengesetzter Richtung, aber dazu gleich mehr...
Das auf dem Rallarvegen gelegene und nur mit der Bahn erreichbare Finse ist in einer Höhe von 1222 Metern Norwegens höchstgelegener Bahnhof. Das dortige Hotel Finse 1222 ist der Treffpunkt aller Läufer am ersten Abend und als Zielort der ersten Etappe sozusagen auch das Basislager der Laufveranstaltung. Hier werden die Startnummern ausgegeben und neben diversen Goodies von Sponsoren auch schon vorab die schönen Veranstaltungs-Funktionsshirt verteilt. Nach einem feudalen 3-Gänge-Menü gab es einen 70 minütigen Infoabend, der vom Organisator durchweg auf Norwegisch gehalten wurde. Neben 42 Norwegern war ich der einzige internationale Teilnehmer und erster deutscher Teilnehmer überhaupt bei dieser Laufveranstaltung. Die wichtigsten Infos hatte ich bereits vorab per Mail vom Organisator Runar Gilberg erhalten. Es wurde beim Vortrag jedoch so interessiert und konzentriert zugehört und auch sehr viel gelacht, dass ich nie das Gefühl verdrängen konnte, Entscheidendes zu verpassen. Netterweise bekam ich anschließend von einem Mitläufer mit Deutschkenntnissen eine Kurzzusammenfassung des Vortrags.
Da die erste Etappe am nächsten Tag, dem 26. Juli erst um 13:30 gestartet wurde, konnten wir morgens noch gemeinsam - mit Blick durch die Panoramafenster auf den Hausgletscher Hardangerjøkulen – gemütlich frühstücken. Anschließend fuhren wir gemeinsam mit dem Zug von Finse Richtung Startpunkt nach Flåm. Zwischenstopp machten wir in Myrdal (auf 960 Metern gelegen), um erstens die Züge zu wechseln und zweitens die einzige Verpflegungsstation selbst aufzubauen. Jeder durfte dort eine Plastiktasche mit Verpflegung samt angeheftetem Zettel mit seiner Startnummer ablegen. Da für die Verpflegung kein Rücktransport geplant war, sollte man nur Dinge deponieren, die man auch bestimmt von dort bis ins Ziel tragen würde. Anschließend mussten wir uns sputen, um die für Ihre Aussicht und ihren Steigungsgrad berühmten Flåmsbahn runter nach Flåm zu erwischen. Beim Blick ins Flåmdalen Richtung Start konnte man schon erahnen, was gleich auf einen zu kommen würde, zumal uns das sommerliche Skandinavienhoch Temperaturen von ca. 30°C bei strahlendem Sonnenschein versprach.
In Flåm angekommen war einziger organisierter Programmpunkt vor dem Start das gemeinsame Gruppenfoto, bevor die meisten noch mal auf dem Campingplatz die Toilette aufsuchten. Insgesamt war die Organisation auf ein Minimum reduziert, was ich aber als angenehm unaufdringlich empfand und was sich entsprechend auf ein nicht zu hohes Startgeld von 300 NOK (ca. 38 €) auswirkte.
Pünktlich um 13:30 Uhr drückte man auf die Stoppuhr und es ging los. Die ersten Kilometer auf der Asphaltstraße habe ich mich hauptsächlich mit meinem Garmin GPS beschäftigt, der sich trotz hochempfindlichen SiRF III-Prozessor partout nicht mit den Satelliten unterhalten wollte; das enge Flåmdalen ist zwar unfassbar schön fürs Auge, aber nichts für satellitenabhängige GPS-Geräte.
Nach fast 10 Kilometern leicht ansteigender Straße erreichten wir endlich den erwarteten Schotterweg, der immer enger und steiler wurde um schließlich in die Myrdalskleiva überzu gehen, die mit den berüchtigten 21 Haarnadelkurven den berühmtesten, aber auch steilsten Abschnitt der gesamten Strecke darstellt. Unbeeindruckt von den Wasserfällen links und rechts, Birkenwäldern und der atemberaubenden Landschaft hatte mein Garmin inzwischen klammheimlich seine Satelliten gefunden und zeichnete brav die Strecke mit auf.
Oben angekommen erreichten wir unsere eben noch eigenhändig bestückte Verpflegungsstation. Nach 19 km hatten wir verfolgt von einem fleißig fotografierenden Fahrradbegleiter fast zwei Drittel des zu bewältigenden Höhenunterschiedes geschafft. Die beiden Norweger, die unsere Verpflegung bewachten, fragten mich nach Herkunft und Verfassung und ermutigten mich, dass die letzten 35 km relativ flach und einfach seien – eine süße norwegische Lüge, wie sich rausstellen sollte.
Denn obwohl der schwierigste Abschnitt erst einmal geschafft war, musste jetzt der Spannungsabfall bewältigt und die Einstellung zu den kommenden 35 km gefunden werden. Vorbei an Seen, bei immer mehr Schnee auf den umgebenden Bergen und immer noch sehr heißen Temperaturen kamen einem unentwegt Urlauber auf Fahrräder in improvisierter Hochsommer¬kleidung entgegen – Männer mit freiem Oberkörper und Frauen im Bikini oder zum Bikini deklarierten BH - die einen als Läufer oft zwischen bewundernd und verwundert angeschaut haben. Sehr wichtig in dem heißesten norwegischen Sommer seit 7 Jahren war natürlich, die ganze Zeit ausreichend zu trinken. Meinen Trinkgürtel konnte ich so oft ich wollte an den natürlichen Verpflegungsstellen wie Seen und Bächen auffüllen – an Wasser mangelt es den Norwegern mit Sicherheit nicht.
Die Landschaft wurde mit den steigenden Höhenmetern immer karger und schroffer, hier und da mussten - durch den heißen Sommer bedingt aber nur wenige kleine - Schneefelder auf der Strecke überquert werden. Gegen Ende des Laufes musste ich eine Art Reizüberflutung feststellen, als mich schneebedeckte Berge hinter tief blauen Gletscherseen unter wolkenlosen Himmel schon fast zu langweilen begannen. Noch vor dem höchsten Punkt der Strecke traf ich auf eine Gabelung mit zweideutiger Beschilderung. Ich dachte an den 70 minütigen norwegischen Infoabend und dass mir vielleicht doch ein paar Infos entgangen sein könnten. Nach längerem Zögern lief ich gemeinsam mit einer aufschließenden Norwegerin zunächst ist die falsche Richtung. Wir drehten dann verunsichert um und trafen dann auf einen weiteren Läufer, der den Weg kannte und mit uns in die richtige Richtung weiter lief. Ich bin zwar immer für ein Häkchen zu haben, aber zu so einem Zeitpunkt ist einem einfach nicht mehr danach. Nach einiger Zeit wieder alleine erreichte ich dann doch noch den höchst Punkt mit 1343 Metern über Null; jetzt mussten noch 9 lange Kilometer mit leider kaum wahrnehmbaren 100 m Gefälle bewältigt werden. Trotz andauerndem Trinken war ich nach 5:45h sehr durstig in Finse angekommen. Von den bereits angekommenen Mitläufern wurde ich freundlich beglückwünscht - aus den anfangs eher reservierten Norwegern werden offensichtlich nach kurzer Zeit sehr nette und liebenswerte Gesellen. Am Abend gab es wieder ein feudales Essen mit anschließender norwegischer Infoveranstaltung inklusive kultureller musikalischer Einlage. Diese wurde nur um 21:30 h kurz unterbrochen, um die beiden zuletzt einlaufenden Damen mit versammelter Mannschaft im Ziel zu empfangen. Eine schöne Geste!
Der 2. Lauftag begann etwas früher aber auch etwas müder. Um 9:45 h brachen bis auf eine Ausnahme alle Starter für die restlichen 27 km bis Haugastøl auf. Auf einem welligen, im Schnitt aber um gut 200 Höhenmeter abfallenden Kurs galt es sich noch einmal zu motivieren, viel zu trinken und einfach noch mal die Landschaft zu genießen. Meine Beine waren gut, aber ich hatte zu viel Bacon beim Frühstück genossen, was ich die ersten 10 km mehrfach bereute. Diese Erfahrung teilte ich übrigens mit dem späteren Sieger – kann daher also nicht als Entschuldigung verwendet werden. Meinem Garmin dagegen ging es prächtig – er hatte zu jeder Zeit optimalen Empfang.
Am Zielort gab es zwar weder Umkleidezelt noch Dusche, dafür aber einen kühlen See und Siegerehrung auf dem Parkplatz, bei dem der Organisator Rucksäcke und Riegel überreichte, die von verschiedenen Sponsoren bereitgestellt wurden. Ich habe übrigens auch einen schönen Trinkrucksack überreicht bekommen, mangels Norwegisch-Kenntnisse weiß ich aber nicht genau wofür – vielleicht für den bestplatzierten internationalen Läufer?! Auf jeden Fall, so der Organisator, soll ich wieder kommen und viele Deutsche mitbringen. Ich hoffe, ich kann mit diesem Bericht den einen oder andern dazu bringen. Ich komme auf jeden Fall wieder – keine Frage!
Für die Statistiker: der Sieger Alemayehu Sitotaw hat insgesamt 6:12:32 (4:28:28 + 1:44:04), die Siegerin Nancy Sommer 7:17:10 (5:15:09 + 2:02:01) benötigt. Ich bin mit 7:58:17 (5:43:02 + 2:15:15) auf den 13. Platz von 42 Finishern gekommen. Von den ursprünglich 66 gemeldeten Teilnehmern waren nur 43 an den Start gegangen.
Infos zum Rallarvegslopet über die Webseite http://www.kondis.no/Rallarvegslopet.html oder direkt über den Organistator Runar Gilberg runar.gilberg@kondis.no.


© Rainer Herzog, 15.11.2008

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