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Bärbel Krapp zum Sri Chinmoy 24h Lauf Köln (21.07.2005) - Ultramarathon beim Steppenhahn (10.2000)
Alle zeigen - Bericht von Bärbel Krapp zum Sri Chinmoy 24h Lauf Köln:
Bärbel Krapp , 21.07.2005

Mein erster 24h-Lauf oder: wie verrückt bin ich eigentlich?

Die Idee:
Im letzten Jahr habe ich bereits einige Stunden in Köln verbracht, da ich meinen Bruder Jürgen und Ryan (windshopper) beim 48er betreuen wollte. Wollte, denn es kam dann alles anders als gedacht. Jürgen musste bereits nach 100 km raus wegen Magen-/Darmproblemen, die nicht in den Griff zu bekommen waren. Trotzdem habe ich die super Atmosphäre genossen und gedacht, da willst Du irgendwann auch dabei sein (natürlich nicht beim 48er sondern beim Bambini Lauf)

Für dieses Jahr hatte ich als Frühjahrshöhepunkt den Rennsteig auserkoren und dann wollte ich mutig die 100 km in Leipzig angehen. Nachdem der Rennsteig mir jedoch wesentlich schwerer gefallen ist, als ich dachte, hab ich als erstes den 100er gecancelt. Ich fühlte mich einfach noch nicht so weit. Eine Weile danach rief Jürgen an und sagte, er läuft in Köln (andere Läufe fielen aus, weil ihm eine zu spät erkannte Borreliose trotz Antibiotika Kuren immer noch in den Knochen steckte) und ob das anschließende Übernachten bei uns klar geht? – ja sicher inklusive Turbo Carboloading mittels Altbier :-)

Dann wurde im Forum beim Step das Thema aufgegriffen, zeitgleich schickte Rennhamster Lothar eine Mail nach der anderen zum Thema Köln… Und in mir reifte der Gedanke: warum nicht und wenn, dann als Rennhamster melden, die sehen das so schön locker. Egal, wie viel km – Hauptsache dabei sein. Nochmals letzter Austausch mit Jürgen und Lothar und: angemeldet.

Die anderthalb Wochen dann bis zum Samstag, dachte ich dann doch: Du bist doch verrückt, nach dem Rennsteig hast Du doch kaum mehr was gemacht und die Wochenumfänge davor waren auch nur im Bereich von max. 80 km. Wie weit willste damit wohl kommen? Aber irgend ein Ziel brauchst Du. Da ich im April den Double im Spreewald gemacht habe, dachte ich: am Samstag und Sonntag je einen Marathon muss du auf jeden Fall schaffen – natürlich immer vorausgesetzt, ich bekomme keine Probleme. Also müssten theoretisch auch 2 x 50 km drin sein, d.h. Ziel: die 100 km-Fahne und jeder km mehr ist Zugabe.

Am Freitag bin ich schon mal nach Köln gefahren, um Jürgen, Ryan und die anderen 48Std.Läufer/innen anzufeuern, mich anzumelden und das Zelt aufzubauen, um alles, was ich brauche, dort zu lagern. Relativ früh wieder nach Hause, denn ich wollte mir noch mal eine ordentliche Portion Schlaf gönnen.

Die Umsetzung:
Als ich Samstag nach Köln komme, muss ich leider erfahren, dass Jürgen und Ryan aufgrund von Problemen nicht mehr laufen bzw. Jürgen am nächsten Tag nur noch die 150 km voll machen will. Außerdem hat auch Thomas (Ironman), den ich in Stein kennengelernt habe, Probleme und so sagen Jürgen und Thomas, wir Frauen (in dem Fall seine Freundin Claudia) sollten die Familienehre retten.

Also zum Start/Ziel-Bereich gegangen und nach kurzer Erläuterung der Regeln, fällt der Startschuss. Ich bin – obwohl ich ja nur ganz locker laufen möchte - ganz schön aufgeregt vor diesem „Abenteuer“ und laufe los. Nach zwei/drei Runden ruft mir Jürgen vom Zelt aus zu: nicht so schnell – und stimmt, ich merke es selbst, dass Tempo kann ich nicht ewig halten, also einen Gang raus genommen und versucht „mein“ Tempo zu finden. Hat auch nicht lange gedauert und es rollte. Super die Stimmung am Rand, immer wieder wurde ich angefeuert. Jetzt hieß es abwechselnd an der einen Seite der Strecke Flüssigkeit bzw. Nahrung aufzunehmen (prima Auswahl!) und auf der anderen Seite an der Zählstation vorbei, die auch alle Läufer in jeder! Runde herzlich beklatscht und angefeuert haben – an dieser Stelle mal ein herzliches Dankeschön an alle vom Sri Chinmoy-Team.

Der Nachmittag ging vorbei und wie das bei mir so ist: ich bekam einen Mordshunger und überlegte nun, wann eine etwas längere Pause sinnvoll ist. Zu früh wollte ich nicht, damit ich nicht in der Nacht schon wieder Hunger bekomme und zu spät auch nicht, damit auch noch was warmes da ist ;-) Um die Vorfreude zu steigern, schon mal am Pavillon gefragt, was es heute gibt: Tortellini mit geraspeltem Möhrengemüse – hmmm. Dann noch zwei Runden ausgehalten, bei Jürgen angehalten und gefragt, ob er gleich mit kommt zum Essen. Na klar, Jürgen hatte auch Hunger. Runde fertig gelaufen und beim Zähler ordentlich für ca. ½ Std. abgemeldet, weiter zum Pavillon, Tortellini genommen und Platz auf der Bank gesichert. Jürgen holt noch ein leckeres alkoholfreies Kölsch dazu und los geht’s. Dann das Essen etwas sacken lassen - Jürgen hat mir zwischenzeitlich wieder Tipps gegeben, schließlich schickt er mich kurz vor 18h wieder los, da gleich die Richtung gewechselt wird. Ich komme jedoch knapp davor an und muss noch eine Runde laufen, dann wechseln und auf die „neue“ Runde eingestellt.

So gegen 20.30h - welch eine Freude – sehe ich Sabine aus Rhens. Ich erkläre ihr kurz, wo Jürgen ungefähr zu finden ist, derweil fällt mir ein, dass er ja im Zelt liegt und Sabine ihn so evtl. nicht findet, bin aber kurze Zeit später genau dort und rufe ihr zu, wo Jürgens Zelt ist. Die nächste Stunde trabe ich immer an den beiden vorbei und werde mit motivierenden Sprüchen unterstützt. An der Zählstation vorbei und was sehe ich: mein Name ist auf der Tafel (immer die ersten 7 Frauen und Männer des 48- und 24-Stunden-Laufs werden dort aufgeführt). Ich stehe auf Platz 6. Das gibt ja einen Schub. Muss mich schwer bremsen, um nicht zu rennen. Bei Sabine und Jürgen kurz rüber gerufen: ich steh an der Tafel. Auf der nächsten Runde kommen mir die beiden entgegen und sagen mir, dass das per Foto dokumentiert wird - ja, ja glauben ist gut, Kontrolle ist besser ;-)

So, jetzt hab ich irgendwie das Gefühl, als wenn meine Haut anfängt zu brennen. Also kurze Pause, Salz abwaschen (danke Sabine und Jürgen für Eure Hilfe), Shirt wechseln und neu eincremen. Leider verabschiedet sich Sabine gegen 23h. Und Jürgen kündigt an, sich bald ins Zelt zu legen. Also lauf ich und lauf und lauf – ab und zu, wenn ich das Gefühl habe, mache ich auch Gehpausen, aber nicht zu lang und vor allem nicht zu zügig, denn Sigi (Bullig) hatte mir vorher noch gesagt, dass das schnelle gehen ungewohnt ist und man sich so leicht Blasen läuft.

Das schöne bei diesen kleinen Runden ist, dass man immer wieder mit anderen ins Gespräch kommt und auch die eine oder andere Runde – wenn es gerade Geschwindigkeitsmässig passt – zusammen läuft/geht. Außerdem kennt man nach einer Weile so ziemlich jede Unebenheit und weiß genau, wo man die Füße etwas höher anheben muss. Der Blick auf den Rhein ist auch immer wieder abwechslungsreich. Ganz prima ist die Betreuergruppe von Ilona – vor allem Elisabeth – die mich die ganze Nacht in jeder Runde anfeuert und mit ihren lustigen Sprüchen auf Trab hält.

So gegen 1:30h oder etwas später ist es dann soweit: ich bekomme an der Zählstation „meine“ 100 km-Fahne. Das ist ein super Gefühl. Mein erster Hunderter. In der Runde davor habe ich Günter getroffen und ihm erzählt, dass ich gleich meine Fahne bekomme. Er fragt, ob er die Kamera holen soll, um mich zu fotografieren. Da ich Jürgen nicht wach machen möchte, stimme ich erfreut seinem netten Angebot zu. Und da ist er auch schon mit seiner Frau Evi und ich grinse wie ein Honigkuchenpferd. Meine Güte, ich fühl mich großartig. Leider muss ich die Fahne am Ende der Runde wieder abgeben ;-)

In der Nacht habe ich mal ein kurzes Tief und melde mich kurzerhand für eine Pause bei meinem Zähler ab. Will nur einen Kaffee trinken und mich mal hinsetzen. Dabei treffe ich Barbara, mit der ich mal wieder nett plaudere. Barbara läuft die 48 Stunden und hat bis jetzt noch keine Schlafpause gehabt. Sie ist ganz schön kaputt, aber ich bewundere ihr Durchhaltevermögen. Auch unglaublich, wie Heike P. und Wolfgang S. so kontinuierlich (und zügig) durchlaufen - immer gut gelaunt. Aber alle, genau wie Ilona S., sind in einer anderen Liga als ich unterwegs. Angie N. erstaunt mich immer wieder. Sie war kurz davor beim Badwater als Supporterin dabei und läuft trotz Jetlag unglaubliche 186,5 km.

Zwei Frauen aus Bedburg, die ich vorher schon wieder erkannt habe, da wir am Rennsteig ein Stück zusammen gelaufen sind und uns immer gegenseitig überholt und fotografiert haben, hatten im Vorfeld schon angekündigt „nur“ 111 km zu laufen um dann zu schlafen und evtl. am nächsten Tag noch ein paar km dranzuhängen, wenn es noch geht. Als die beiden raus sind, rutsche ich kurze Zeit später auf Platz 4 – das gibt mitten in der Nacht bzw. am frühen Morgen wieder einen enormen Motivationsschub. Bei mir ist auch noch alles vollkommen in Ordnung. Die Beine sind nicht schlapp, ich habe keine Schmerzen, ich bin mental super drauf – also weiter.

Schön, man kann langsam erkennen, dass die Sonne bald aufgeht, da ich vorher noch nie zu dieser Zeit gelaufen bin, genieße ich diese Stimmung. So langsam bekomme ich wieder etwas Hunger und beschließe mich abzumelden und mir so gegen 5:30h auf der nächsten Runde ein paar Kekse zu nehmen und zwei Becher Kaffee um zum Zelt zu gehen – vielleicht hat Jürgen ja auch Lust auf einen Kaffee. Ich rufe also zweimal Jürgen – aber er schläft tief und fest. Was bleibt mir anderes übrig, trinke ich eben zwei Becher und esse die Kekse allein auf :-)

Und wieder auf die Runde. Etwas später ruft mir Jürgen zu, dass er wach ist und ich berichte „stolz wie Oskar“ mittlerweile an Platz 4 zu stehen. Jürgen ist begeistert. Außerdem muss er natürlich wissen, dass ich nachts die 100km-Fahne bekommen habe und mittlerweile bereits bei ca. 120/125 km stehe (so ganz genau weiß ich das jetzt echt nicht mehr). Ich sage, toll wäre ja die 150 km-Fahne und Jürgen: das schaffst Du locker. Eigentlich wollte er die restlichen ca. 5 km morgens laufen, aber nachdem ich schon so weit bin, und er glaubt, dass ich die 150 schaffe, überlegt er sich, mit mir gemeinsam die 5 km bis 150 zu gehen, so das wir zusammen unsere 150km-Fahnen-Runde laufen können. Super Idee! Jetzt hab ich wieder etwas, worauf ich mich die ganze Zeit freuen kann.

Leider hat Claudia mittlerweile auch üble Kniebeschwerden und muss aussteigen. Sie ruft mir noch zu: Du musst jetzt die Familienehre für uns alle retten. Das werde ich natürlich versuchen ;-) An dieser Stelle auch ein Gruß an Jutta, die ebenfalls aussteigen musste, die mich aber am nächsten Tag als es ihr zum Glück wieder etwas besser ging, super motiviert hat.

Mittlerweile machen mir die beiden nachfolgenden Frauen auf Platz 5/6 Sorgen. Sie werden mich doch nicht etwa einholen? Platz 3 hab ich in der Nacht bereits aufgegeben, auch wenn zwischendurch mal nur 8 oder 9 km zwischen uns lagen. Ich wollte vergnügt und entspannt laufen ohne Stress (irgendwie wirkte sie auf mich zu verbissen). Aber Platz 4 will ich jetzt auch nicht mehr aufgeben ;-)

Dann endlich, ich habe 142,5 km und sage Jürgen Bescheid, dass ich ihn gleich abhole, damit wir die letzten km gemeinsam zurücklegen. Tatsächlich – gerade noch im Zelt gelegen – steht er da und wartet auf mich J Diese gemeinsamen km will ich nicht missen. Es war wunderbar, aber das schönste war natürlich unsere 150km-Runde. Ich muss sogar ein paar Tränen vergießen. Jürgen holt mich aber schnell wieder auf den Boden zurück. Wenn ich Dich gleich fotografiere, hört das aber auf ;-) Jetzt hab ich auf einen Schlag 100 und 150 km geschafft. Jürgen will noch ein paar km mit mir gehen – schon allein, um Ryan zu versägen ;-) Er hat während der gemeinsamen km versucht, mir die Angst zu nehmen, dass mein 4. Platz gefährdet ist (nicht, wenn Du so weitergehst) und mir tierische mathematische Formeln (er nannte das einfachen Dreisatz) unterbreitet, die ich nicht mehr in der Lage war zu fassen.

Ich sagte ihm nach 151,5 km: so langsam hab ich keine Lust mehr. Jürgen darauf: dann nehme ich gleich die Kamera mit und mach noch ein Foto vom Endstand. Wieso haben wir in der Runde dann eigentlich die Kamera vergessen? Also noch ne Runde. Dann direkt die Duschsachen mitgenommen und bei 154,5 km am Zählerstand abgemeldet. Ahhhh tat das gut, sich das Salz vom Körper zu waschen. Noch in der Kabine die Sirene gehört. Und zurück zum Zelt, etwas ausruhen, Zelt abbauen, Wagen holen, alles rein schmeißen und zur Siegerehrung.

Tolles Gefühl nach vorne gerufen zu werden und einen Pokal plus Geschenk entgegennehmen zu dürfen. Ein unvergessliches Erlebnis, mein erster 24-Stunden-Lauf – aber doch irgendwie verrückt.

Bärbel Krapp
20.7.2005



© Bärbel Krapp, 21.07.2005

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