Tritt ein, bring Glück herein

Stop, leider geschlassen!

 

Elisabeth Herms-Lübbe zum Lipperland Volksmarathon (19.11.2007) - Ultramarathon beim Steppenhahn (10.2000)
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Elisabeth Herms-Lübbe , 19.11.2007

Waldrandmarathon

In Humfeld im Lipperland fand am 17. November 2007 wieder einmal der kleine und feine Volksmarathon statt. 75 Leute starteten auf der langen Strecke.

Welch eine Gelassenheit überall! Bis kurz vorm Start gab es im Pausenraum der Schule noch gemütlichen Plausch bei Kaffee, Kuchen und Brötchen. Dennoch, jemand an meinem Tisch erwähnte einen Gegner, mit dem er es gleich aufnehmen wollte. Männer! Machen aus Mitläufern Konkurrenten. Sehen Gegner, wo nur Freunde sind. Milde und freundlich sollte man doch werden bei soviel aufmerksamer Betreuung durch die Organisatoren.

Die Startlinie war wieder irgendwo in Schulnähe auf einer Straße zwischen Einfamilienhäusern. So unauffällig im Irgendwo kann sie nur sein, wenn sie ordentlich ausgemessen ist.

Die Läuferhunde, schien mir, waren die einzigen Kreaturen, die aufgeregt waren. Sie bellten und jaulten, dass man die Ansprache zum Start nicht verstehen konnte.

Es war den ganzen Tag ungefähr 4 Grad plus und eigentlich hat es die ganze Zeit geregnet, oder die Luftfeuchtigkeit kondensierte an Gesichtern und Bekleidung. So ist der November. Nicht jammern, ihm wacker entgegen treten! Hinein in die spätherbstliche Realität. Obgleich die Landschaft manchmal etwas irreal aussah. Nebel lag darüber, die Farben waren reduziert auf sanftes Grau und Braun, es wurde gar nicht erst richtig hell und das Licht war so diffus, dass die Orientierung schwer wurde. Manchmal kam es mir so vor, als seien die verschiedenen Landschaftsbestandteile – ansteigende oder abfallende Felder mit Teerwegen, laubbedeckte oder schlammige Waldwege, Windgeneratoren in Gruppen zu dritt, Rotkreuzwagen - wie mit einem göttlichen Computer immer wieder gemixt, gespiegelt und neu kombiniert worden, der Läufer mal rechts darin, mal links darin, mal fern, mal nahe, mal bergauf, mal bergab. Die anderen Läufer, die ich noch von weitem sehen konnte, wirkten wie zufällig eingefügte Figuren. Und dann die vielen Waldränder, die sich immer so ähnlich sahen. Aber das alles hatte seine eigene großartige und stille Schönheit. Am Tag zuvor hatte ich einen Dokumentarfilm über Wim Wenders gesehen, dem begnadeten Regisseur, der auch schon mal in Cannes mit einem Sieg geehrt worden ist. Seine Filme spielen alle in etwas grauer und unwirtlicher Umgebung, und das ist so, weil ihr und dem Leben noch etwas abgetrotzt werden muss. In der Dokumentation war er an einem Buchenwaldrand zu sehen, der in Humfeld hätte sein können, und er war ganz verzückt von der kühlen, herbstlichen Ausstrahlung. Da hat er einen ähnlichen Geschmack wie ich. Ganz wichtig sei bei einem Film, dass man ihn mit Inbrunst mache, so sagte er.

Und ich lief mit Inbrunst: sorglos, zügig, ungehetzt, ich fror nicht, ich schwitzte nicht, ich passte gut in diesen Novembertag. Wenn ich etwas wirklich und aufrichtig liebe, dann ist das die kühle, reine, wassergesättigte Luft kurz vor dem Frost. Ich denke, kaum einer mag sie, denn wer ist denn schon draußen, wenn es sie im Überfluss gibt. Das ist ein ganz spezielles inniges Verhältnis zwischen mir und dieser klaren Luft. Wenn ich einmal weit weg verreist bin, ist das ein Heimwehfaktor.

An den Verpflegungsstellen tröpfelte es in den Tee. Ich dachte manchmal, er sei kalt, aber nein, er war warm. Die Betreuerinnen harrten im Regen aus und hatten dabei Formen wie Eskimos. Herbstzeit, Filmzeit, und ich hatte kurz vorher einen anderen Film gesehen, ein Eskimoepos, und zu meinem Erstaunen festgestellt, dass die voluminösen Menschen unter ihren Verhüllungen ziemlich dünn sind. Dieser Film war ganz und gar von Inuit gemacht, kein anderer Name im Abspann. Sie wollten damit einmal über ihr komplexes vergangenes Leben und ihre großartigen Sagen berichten: Menschen mit all ihren Stärken und Schwächen werden auf verschlungene Weise vom Schicksal ihren Bestimmungen entgegen getrieben, wie in einer griechischen Tragödie: Atanarjuat, die Legende vom schnellen Läufer. Einmal muss der Held nackt über das zugefrorene Meer fliehen, um sein Leben laufen über das Eis, auf dem oberflächlich Wasser steht. Vor Erschöpfung fällt er hinein und bleibt bäuchlings auf dem Eis liegen, bevor er mit letztem Überlebenswillen weiter rennt. Das alles ist bei den Dreharbeiten nicht nachgestellt worden. Ihm sei dabei Haut von den Fußsohlen verloren gegangen, sagte der Darsteller dazu, und noch Tage später habe sich seine Brust taub angefühlt. Auch dieser Film ist zweifellos mit Inbrunst gemacht.

Aber ein Novembertag birgt nicht solche Dramatik. Eher eine nebelige Entrückung.

Auf den letzten Kilometern beleuchtete ein Rotkreuzwagen hinter mir den Weg. Da konnte ich nichts verkehrt machen. Kinder winkten mich mit roten Schildern ins Ziel. Weil ich es in der Dunkelheit nicht gesehen hatte, war ich letztes Jahr nicht direkt dorthin gelaufen, sondern daran vorbei und dann gleich treppauf zu Kaffee, Kuchen, Urkunden und den Tellern für die Finisher, die es auch dieses Jahr wieder gab.

Alle Marathonläufer hätten den Lauf gut überstanden, so hörte ich im Ziel, bis auf einen, der wohl einen Infekt gehabt habe. Es kommen auch mehr die robusten, routinierten Läufer nach Humfeld.

Soviel Aufmerksamkeit, soviel Freundlichkeit! Trotz der messbaren Kälte nahm man ein Stück Wärme mit nach Hause.






© Elisabeth Herms-Lübbe, 19.11.2007

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