Tritt ein, bring Glück herein

Stop, leider geschlassen!

 

Berichte - Ultramarathon beim Steppenhahn (08.2002)

Erlebnisbericht vom Spreelauf 2002 - Robert Wimmer - 24.08.02

Da mein Lebensziel als Läufer ist, beim Transeuropalauf 2003 mitzulaufen, kam mir die Idee als Test für dieses anspruchsvolle Ereignis am Spreelauf teilzunehmen.
Der Spreelauf führt von der Mündung der Spree in Berlin-Spandau zur Quelle im Kottmarwald in Eibau-Walddorf. Dabei sind in 6 Tagesetappen 420 Gesamtkilometern zu überwinden.
In der Vorbereitungsphase konnte Hubert Schwarz und sein Performance-Team mich optimal auf diese Herausforderung vorbereiten.

1. Etappe: Berlin-Spandau - Neu-Zittau - 54 KM

So fühle ich mich fit, als ich am 13.08.02 um 9 Uhr zusammen mit meinem Vater, Peter Wimmer und 46 MitläuferInnen, am Spandauer Marktplatz bei strömenden Regen am Start stand.
Mein Vater, ebenfalls ein ambitionierter Ultraläufer, der nun schon 64 Jahre alt ist, möchte mir nicht nur zuschauen, sondern die gemeinsame Leidenschaft weiterhin mit mir teilen.
Trotz des Regens herrscht eine tolle Stimmung und alle Teilnehmer sind voller Zuversicht.
Und schon fällt der Startschuss und das Gruppenerlebnis beginnt.
Auf der ersten Etappe bis nach Neu-Zittau haben wir 54 KM zu überwinden.
Da ich das Rennen taktisch angehe, halte ich mich auf der ersten Etappe bewusst etwas zurück, da ja der Sieg nicht auf den ersten 54 Kilometern, sondern auf einer Gesamtstrecke von 420 KM entschieden wird.
So habe ich etwas Zeit, die Strecke genießen zu können, welche uns im ersten Teil an großen Sehenswürdigkeiten des Berliner Zentrums wie dem Reichstag und dem leider momentan eingehüllten Brandenburger Tor vorbeiführt.
Erst allmählich verlassen wir das Stadtzentrum mit seinen vielen Autos und Ampeln und laufen an schönen Alleen der Spree entlang.
Mittlerweile bin ich voll im Rhythmus und vergesse meine Umgebung mehr und mehr.
Ich denke über alles mögliche nach und genieße die fantastische Landschaft.
Die erste Tagesetappe beende ich schließlich als Fünfter in einer Zeit von 3:54:01.
Ich laufe zusammen mit dem Vierten, Jan Nabuurs, Möbelschreiner aus Holland ein.
Der Sieger, Kartsten Sörensen aus Berlin wollte seine Hausetappe unbedingt gewinnen und war zwar 12 Minuten schneller.
Aber was sind schon 12 Minuten auf einer Strecke von 420 KM? Ich befinde mich in "Lauerstellung" und wittere schon meine Chance. Die Muskeln sind noch locker und mal Sehen was der nächste Tag bringt.
Nachdem wir den naheliegenden Bäcker leergeräumt haben, stärken wir uns zusätzlich beim Abendessen im "Haus der Freundschaft" a la Carte! Die Schlafstätte wird in den nächsten Tagen eine Turnhalle im jeweiligen Zielort sein. Wer schnell ins Ziel kommt, ergattert auch noch eine Matte und spart sich das Aufblasen der Luftmatratze.

2. Etappe: Neu-Zittau - Beeskow - 79.1 KM

Der zweite Tag begann im Gegensatz zum Ersten mit traumhaftem Laufwetter bei Sonne und 23 Grad.
Ich laufe mit Henry Wehder, dem Ersten des letzen Jahres, Rene Strosny, dem Vorjahreszweiten vom LV Bautzen und Jan aus Holland im flotten Tempo auf den ersten 20 KM. Ich starte mehrere Tempoantritte, um meine "Gegner" mal zu testen.
Nach rund 30 KM laufen Rene und ich etwas zügiger und lassen die "Zwei" stehen.
Wir überqueren zahlreiche Brücken der Spree und laufen meist im herrlichen Wald.
Nun sehe ich meine Chance für einen Etappensieg und ziehe an.
Bis ins Ziel in Beeskow hole ich so einen Vorsprung von 17 Minuten heraus und gewinne die Etappe in 5:58:09.
So war gewährleistet, dass Bernd Albrecht, der Masseur und ehemalige Ultraläufer aus Schwalmstadt, mich als erster unter seine "Wunderhände" nehmen konnte. Diesen Service genoss ich in vollen Zügen und er sicherte mir allzeit lockere Muskeln für den nächsten Tag.

3. Etappe: Beeskow - Lübbenau - 83.9 KM

Die Königsetappe stand an. Wie am vorangegangenen Tag wurde wieder in 2 Gruppen gestartet, um das Läuferfeld nicht zu weit auseinanderziehen zu lassen, was eine rationellere Streckenversorgung ermöglichte.
Fast alle in Berlin gestarteten LäuferInnen waren noch dabei.
Das Wetter war auch heute traumhaft, bei wenig schattenspendenden Bäumen wurde es bis zu 30 Grad heiß.
Die ländliche Idylle war einfach zum Genießen. Blauer Himmel, weite Wiesen und einige schöne Seen des Unterspreewaldes waren gelungene Abwechslungen auf den 84 Kilometern. Ich laufe wieder mit Rene und Henry auf den ersten 30 Kilometern, ehe ich mich entschließe, auf Jan Nabuurs aufzulaufen. Jan ist ein zäher Bursche, der schon beim Bergetappenlauf in diesem Jahr von Genf nach Basel einen vierten Platz belegte.
Zu zweit rollt es einfach besser und man hat ein wenig Unterhaltung auf "holländisch".
19 KM vor dem Ziel wage ich einen Tempoantritt, um einen satten Vorsprung von 13 Minuten auf Jan rauszulaufen und in 6:48:41 zu gewinnen. So war mir ein "First-Class"-Platz in der Turnhalle wieder sicher und auch für meinen Vater, Peter, konnte ich alles bereitlegen.
Er rangiert auf Platz 10 - 12 und lässt so manchen "Jungen" auf den Etappen "alt" aussehen.
Abends gab es ein "5-Sterne-Büffet" organisiert von Ingo Schulze, dem erfahrenen Veranstalter des Spreelaufes. Für einen ausgemerkelten Etappenläufer genau das Richtige.
Abends saßen wir alle gemütlich im Schulhof bei einem "Eibauer Schwarzbier" zusammen und erzählten uns von früheren Laufabenteuern.

4. Etappe: Lübbenau - Spremberg - 75.2 KM

Bei weiterhin sonnigem Wetter starteten wir nach einem ausgiebigem Frühstück um 7 Uhr morgens auf eine weitere Langetappe von 75.2 KM. Die ersten Kilometer dienen der Muskellockerung und Standortbestimmung.
Der Spreewald mit seinen Fließbrücken und die Dämme der Deichkronen an der Spree waren ein faszinierendes Naturerlebnis und alleine schon ein Grund, an diesem in Deutschland einzigartigen Laufabenteuer teilzunehmen.
Unterwegs wurden wir heute sogar mit einem Kuchenbüffet belohnt! Ich laufe heute mit Rene Strosny und lasse Jan ziehen, dessen Schrittfrequenz der einer Nähmaschine gleicht.
Wir wussten, dass unsere Chance im gleichmäßigen Laufen bestand, um Jan einzuholen.
17 KM vor Zielschluß zog ich wieder Mal das Tempo an und überholte Jan.
Im Ziel hatte ich einen beruhigenden Vorsprung von 5 Minuten auf den Holländer herausgelaufen und kam in 5:54:32 unter die ersehnte Dusche.
Wie gewohnt ging ich dann mit meinem Vater auf Nahrungssuche in die Ortschaft und organisierte mir Abendlektüre in Form einer Tageszeitung. Nun war ich zuversichtlich den Spreelauf zu gewinnen, der Gesamt-Vorsprung war auf 34 Minuten angewachsen.
Belohnt hat Papa mich mit einer Einladung in die nahegelegene Pizzeria.

5. Etappe: Spremberg - Bautzen - 77.9 KM

Die Spreequelle ist nun nur noch 128 KM entfernt und heute steht die letzte Langdistanz an.
Was für ein Gefühl, die Chance zu haben, so eine Lange Kante wie den Spreelauf schaffen zu können.
Wie gewohnt läuft Jan die ersten Kilometer vorneweg, um dann von uns bei passender Gelegenheit und Dank Renes konstanter Renneinteilung überholt zu werden.
Nun wurde es schon sehr heiß auf der freien Strecke und die Verpflegungsstellen alle 9 Kilometer waren wie Oasen in der Wüste ersehnt.
Das dicke Ende kam heute aber noch. Vor Bautzen fingen nach rund 350 KM Flachstrecke die Berge an, die nach zäher Anstrengung am Buttermarkt am Reichenberg endeten.
Auf diesen letzten Metern musste ich Rene, dem leichtfüßigen Bergspezialisten ziehen lassen und wurde knapp (29 sec.) Zweiter in 6:19:43 für die 77.9 welligen Kilometer.
Ich belohnte mich mit einem alkoholfreien Bier am Marktplatz und wartete auf meinen Vater, der wie immer konstant und erfahren die Strecke bewältigte, um ihn beim Zieleinlauf zu fotografieren.
Abends genossen wir ein Fußballspiel der örtlichen Spitzenmannschaft der Herren.

6. Etappe: Bautzen - Spreequelle Eibau/Walddorf - 50.5 KM

Heute war der Tag, den alle Aktiven, Organisatoren und Betreuer 6 Tage ersehnt hatten.
Ein rauschendes Spreequellfest bei herrlichem Sonnenschein wartete auf uns.
Die heutige Etappe hatte deutlich mehr Profil als die vorangegangenen 370 Kilometer.
Seit Bautzen waren Steherqualitäten gefragt. Den Zieleinlauf musste man sich besonders hart erkämpfen. Ein etwa drei bis vier Kilometer kräftiger Anstieg musste bewältigt werden.
Ich zog nach 21 KM den anderen davon, um die Schlussetappe zu gewinnen.
Nachdem ich mich aber an einer schmalen Abzweigung verlaufen hatte und 8 Minuten Vorsprung zunichte machte, beschloss ich mit Rene gemeinsam ins Ziel zu laufen.
Nach 3 Stunden und 52 Minuten liefen wir gemeinsam Hand in Hand ins Ziel und ließen uns von den mehr als 1000 Zuschauern begeistert feiern.
Bei diesem Blitzlichtgewitter kam ich mir vor wie Michael Schumacher.
Ich siegte in neuem Gesamtstreckenrekord von 32:43:01 (Verbesserung 56 Minuten) und 33 Minuten Vorsprung. Zweiter wurde Rene Strosny und Dritter Jan Nabuurs aus Holland.
Beim Spreequellfest kam nun jeder Finisher auf seine Kosten und konnte schlemmen wie "Gott in Frankreich".
Die Siegerehrung fand so einen würdigen Rahmen und jeder Einzelne wurde gebührend geehrt.
Meinem Vater und waren nicht satt zu kriegen und wir gingen runter ins Dorf Eibau, um erneut ein Menü unserer Wahl zu verdrücken.
Dort trafen wir befreundete Läufer mit Anhang, Werner Selch und Franz Häussler, mit denen wir einen gemütlichen Abend verbrachten.
Auf dem Nachhauseweg im dunklen Wald überraschte uns meine Frau, Uschi, mit dem Auto ankommend, um uns spontan abzuholen. Geplant war die Rückreise mit dem Zug. Durch die Jahrhundertflut war deer Dresdener Bahnhof aber dicht. So überlegte Uschi nicht lange und fuhr die 450 KM um Shuttle für uns zu spielen, ohne dass Papa und ich damit gerechnet hätten.
Dies war ein toller Abschluss unseres Laufabenteuers.
Mein Dank gilt abschließend allen Helfern, Betreuern, dem Veranstalter Ingo und seiner rührigen Frau Inge und allen Mitläufern, die sich sehr um mich als Debütanten bei so einer Herausforderung gekümmert haben.
Ich kann jedem gut trainierten Läufer nur empfehlen, mal bei so einem Etappenlauf mitzumachen und freue mich schon auf meine nächste große Herausforderung - mein Lebensziel im Laufen: Dem Transeuropalauf von Lissabon nach Moskau.


© Robert Wimmer , 26. August 2002
r.wimmer@nefkom.net

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