Tritt ein, bring Glück herein

Stop, leider geschlassen!

 

Bericht zum 7. Kieler Leuchtturmlauf - Ultramarathon beim Steppenhahn (03.2003)

Elisabeth Herms-Lübbe , 09. Februar 2003

7. Kieler Leuchtturmlauf - Zurück zu meinen Laufanfängen

In Kiel habe ich mit dem Laufen begonnen, das war 1974, als ich noch dort wohnte. Vorausgegangen war eine Plakataktion mit einem untersetzten Männchen, das den Daumen in die Höhe reckte und für täglich einmal Puls 130 warb. So durch Werbung unterstützt, brauchte ich mich als Läuferin nicht komisch zu fühlen. Anders dachten die Kinder in Projensdorf, die mir "schneller, schneller" nachriefen, obwohl ich, gemessen an meiner heutigen Erkenntnis, schon viel zu schnell lief. Ich hatte mir "Schuhe für Dauerlauf" angeschafft, die waren von Lico und machten ziemlich ungedämpft "klack-klack". Ich lief im Projensdorfer Gehege und im Kleingartengelände, wo jetzt eine Klinik und ein Teil der Universität ist. Leider gab es damals noch nicht die LG Albatros, und so waren meine Laufbemühungen nicht anhaltend. Mit einem regelmäßigen Training habe ich erst sehr viel später begonnen, jedoch haben mich meine Lico-Klack-Klack-Schuhe noch häufiger bei neuen Laufanstrengungen begleitet.

So vorbelastet nahm ich gern die Einladung der LG Albatros Kiel mit Heinz und Regina Behrmann zu einem Erlebnis- und Landschaftslauf am 9.Februar 2003 an.

Leider war ich ernährungsmäßig in zweifacher Hinsicht schlecht vorbereitet. Einmal hatte ich kurz vorher das nette Buch "Lexikon der populären Ernährungsirrtümer" gelesen. Da steht, dass man wegen der komplexen Wechselwirkung der Mineralstoffe im Körper Abstand nehmen sollte von Magnesiumbrause, die Calciumaufnahme würde gestört. So war ich damit zurückhaltender als sonst gewesen. Weil das Buch so amüsant geschrieben ist und dabei nicht ohne wissenschaftlich fundierte Erkenntnisse ist, habe ich gleich ein Exemplar für meine Gastgeber mitgebracht. Liebe Behrmanns, leider ist nicht alles so schlau, was darin steht! Das mit dem Magnesium stimmt nicht, zumindest nicht für Marathonläufer!

Mein zweiter Ernährungsfehler waren die Pommes am Vortag. Ich mag eigentlich gar keine Pommes, aber es gab nichts Besseres. Das kam so: Wir haben Verwandtschaft in Holstein, unter anderem drei kleine Jungs, mit denen mein Mann und ich in Hamburg im Miniatur-Wunderland waren, einer riesigen Modelleisenbahn. Es gibt darauf alles, was einem im Leben, besonders in Hamburg, so begegnet: Michel, Köhlbrandbrücke, Containerhafen, Müllverbrennung, St. Pauli inklusive Herbartstraße, in der herzallerliebste Mädchen in den Fenstern sitzen, liebevoll beschädigte Modellautos, zum Schrottplatz aufgebaut, nicht weit davon feiernde Punks, die ihren Unrat um sich verbreiten, auf sie zustrebend zwei Nonnen in Missionierungsabsicht, ein Gefängnis mit ausbrechenden, schwarz-weiß geringelten Sträflingen, kurz, unendlich viele Szenen aus dem prallen Leben. Radrennen gibt es gleich zwei, eins in Mitteldeutschland und eine Bergpartie im Hochgebirge. Leider sah ich keinen Volkslauf. Ich werde anregen, einen solchen für Amerika, das noch in der Aufbauphase ist, vorzusehen. Dergestalt abgelenkt und amüsiert ist mir meine unpassenden Ernährung nicht weiter aufgefallen.

Am nächsten Tag in Kiel waren Wettkampf und Stress waren nicht angesagt, die Uhr sollte im Gepäck bleiben. Für Neulinge nicht zu verfehlen war das Haus der beiden Gastgeber in Kiel-Holtenau, das Start und Ziel war, denn die Haustür war geschmückt mit Fotos der drei Leuchttürme. Drinnen trafen wir wieder auf Leuchttürme, sowohl als Bilder an der Wänden als auch auf den Servietten, die schon auf den für die Siegerehrung gedeckten Tischen lagen.

Um acht Uhr war Start, nur ganz wenig verzögert durch Ansprachen und allerlei Startfotos, und in gemächlichem Tempo machten sich 47 Läufer auf in den klaren Morgen hinein. Am Tag zuvor war es noch neblig und trüb gewesen, und nun schien die Sonne schon beim Start und beleuchtete trefflich unser erstes Ziel, das bald erreicht war, den Leuchtturm von Holtenau, und natürlich schien sie auch auf alle Läufer, die sich davor für ein Foto aufstellten. Der erste Leuchtturm ist der schönste von den dreien, ein wohlproportionierter wilhelminischer Backsteinbau aus der Entstehungszeit des Kanals, er würde auch als Aussichtsturm auf einem Berg ein gutes Bild machen. Dann blickten wir in den kleinen Hafen von Holtenau, und weiter ging es unter der Hochbrücke hindurch in parkartige Landschaft und durch Wohngebiet. "So langsam bin ich noch nie gelaufen", klagte jemand, der sich mit dem 7 Min/km-Schnitt quälte. Aber wir wollten ja zusammen bleiben und liefen uns gerade erst warm. Außerdem galt das Motto "Langsam laufen hat noch keinem geschadet, schnell laufen schon". Der Boden war oft ungepflastert, aber gefroren. Bleiben die Schuhe sauber? Es wurde spekuliert. Sie sollten nicht sauber bleiben.

Die erste Verpflegungsstelle kam und wir machten, wie auch an jeder der drei folgenden, eine Rast von wenigen Minuten. Jeder hatte seinen persönlichen Teebecher, den er immer wieder nahm, die Becher waren dank der Sammelleidenschaft von Regina Behrmann alle verschieden. Diese kleinen Pausen taten gut, man konnte in Ruhe essen und trinken, ohne sich etwas auf die Jacke zu kleckern.

Weiter ging es, und schon bald blickten wir auf die Förde und liefen auf einem Deich auf den zweiten Leuchtturm zu, den von Friedrichsort, der auf einer Art Halbinsel steht. Dort mussten wir für das zweite Foto hin, den Deich hinunter über Sandstrand und Muscheln, die Füße wurden schwer. An was denkt der ambitionierte Läufer bei solchem Untergrund? Natürlich, an den Marathon des Sables, so war es auch in Gesprächsfetzen zu hören. Man stellt sich Leuchttürme gern rot-weiß geringelt vor, dieser ist aber grün-weiß geringelt, ein technischer Zweckbau und eigentlich nicht so hübsch, abgesehen von seiner Lage auf der kleinen Halbinsel in der Förde. Wenn er nun eines Tages durch Satellitennavigation einmal ganz überflüssig werden sollte, hat er dann eine Chance auf Denkmalschutz? Oder wird er gar nicht überflüssig? Leider habe ich versäumt zu fragen.

Dann zog das Tempo an, mit einem 6.30 Min/km-Schnitt liefen wir immer an der Förde entlang mit Blick auf das kalte Wasser. In Schilksee, im Olympiahafen und in Strande waren nicht nur wir Läufer unterwegs, sondern auch Spaziergänger, manche Dame nutzte den klaren, sonnigen Tag, um noch einmal ihre Pelzjacke auszuführen, bevor der Winter sich ganz verabschiedet, denn, da waren wir uns einig, dies war der erste Frühlingstag des Jahres.

Der dritte Leuchtturm, der von Bülk am Ende der Kieler Förde, ist schwarz-weiß geringelt wie in Sträflingskleidung, er ist ja auch bestraft durch die Nähe zur Kläranlage. Seine Abbildung sollte uns später als Erinnerung nach Haus begleiten. Noch ein Foto in strahlender Sonne, und alle, die unter dem geringen Tempo gelitten hatten, wurden nach 24 km in die Freiheit entlassen, denn in drei Gruppen mit verschiedener Geschwindigkeit ging es weiter. Hier war auch der erste Punkt zum Aussteigen. Wieso aussteigen, wenn man noch ganz frisch aussieht? "Ich muß Mittagessen kochen, nachmittags kommt Besuch und abends gehen wir ins Konzert!" Ja, es gibt eben viele Gründe zum Aufhören. Die anderen liefen an der Steilküste weiter, dann begann der Rückweg durch idyllische Landschaft. Manchmal hieß es : "Vorsicht, weiche gelbe Steine!", denn Reiter waren auch schon unterwegs gewesen.

Bei km 34 war der letzte Verpflegungspunkt, auch dort konnte wieder der Lauf beendet werden, eigentlich schade so nahe vorm Ziel. Siggi Schmitz, der "Besenläufer" im gelben Leibchen, sprach Mut zu : "Wir bringen jeden ins Ziel!" Peinlich, das galt vor allem mir. Ich bin ohnehin nicht schnell, und meine Ernährungsfehler verursachten mir Krämpfe, so wie ich sie schon seit Jahren nicht mehr hatte. Einmal stolperte ich über eine Wurzel, Siggi stellte mich wieder auf die Beine, ich weiß nicht, ob ich allein wieder hoch gekommen wäre. Ich kann auch mit Krämpfen laufen, das tat ich dann, es gibt Schlimmeres.

Ein recht matschiger und abfallender Streckenabschnitt musste noch gemacht werden, da hörte man dann bei Unwegsamkeiten: "Flieg, Albatros, flieg!" Kurz vorm Ziel gab es wieder eine idyllische Landschaft, die vielleicht schon bald dem Flughafenausbau geopfert werden soll. Das ist in Kiel wahrscheinlich eins von den Themen, das, wenn es zur Sprache kommt, die Läufer vor lauter Emotionen schneller werden lässt. Auch vor dem Haus unserer Gastgeber klebt ein Sticker mit ablehnendem Aufdruck zu dieser Angelegenheit. Dort, vor dem Haus, lagen dann auch bald in großer Menge Laufschuhe, ja, sie waren doch noch schmutzig geworden, sehr sogar. Die Duschen des Hauses standen zu unserer Verfügung und wurden so stark genutzt, dass den fleißigen Helferinnen in der Küche das warme Wasser ausging. Drinnen wurde gefeiert, erstaunlich waren die Mengen an Nudeln, die manche Männer nach einem solchen Lauf verzehren können, alles möglich dank der großzügigen Bewirtung unserer Organisatoren. Grund zum Feiern gab es, denn alle hatten erreicht, was sie sich vorgenommen hatten, keine Uhr, keine Enttäuschung. Die einzige Verletzung war eine Blase am Fuß einer Läuferin, die in diesem angenehmen Umfeld ihren ersten Marathon absolviert hatte. Von 47 Läufern hatten 28 das Marathonziel erreicht. Alle Läufer bekamen Urkunden, die im Hintergrund mit den besuchten Leuchttürmen verziert sind, und für jeden gab es einige persönliche Worte bei der Überreichung sowie eine handbemalte Fliese, auf der, schwarz-weiß geringelt, der letzte Leuchtturm abgebildet ist.

Ich war meinen "Silbermarathon", meinen 25., gelaufen. Ein anderer Gast war Horst Preißler aus Hamburg, der seinen 1160. Marathon absolvierte. Er erzählte von seinen Bemühungen, beim nächsten Hamburg-Marathon wieder die Startnummer 1 zu bekommen. Als altbewährter und beständiger Protagonist des Breitensports beharrt er in großer persönlicher Bescheidenheit darauf. Wenn sie an einen anderen Läufer vergeben wird, ist der Hamburg-Marathon nicht mehr in erster Linie eine Volkssportveranstaltung, sondern hat einen anderen Akzent bekommen. Seine Laufanfänge liegen ein Jahr vor meinen, lokalisiert im Kaufunger Wald, wie er mir mitteilte. Das ist ungefähr in meiner jetzigen Heimat.


© Elisabeth Herms-Lübbe , 09. Februar 2003

Weitere Infos zum Leuchtturmlauf und dem LG Albatros unter http://www.lg-albatros-kiel.de/">.