Sigi Bullig , 12. August 2003

Wenn einer eine Reise tut...

...dann kann er was erzählen, so heißt es in einem alten Sprichwort. Das gilt zwar bei uns auch, aber für Conny reicht das Erzählen alleine nicht aus. Sie muss auch was zum Laufen haben. Also ging unsere Reise nach Kopenhagen und – wie soll es anders sein – natürlich zum Laufen. 6-Tage-Lauf heißt die neue Herausforderung und sie findet in Kopenhagens größtem Erholungspark (nein – nicht dem Tivoli, der ist nur zum Vergnügen da), dem Faelledpark statt.

1,4425 Kilometer hatte Jesper Olsen, Dänischer Weltklasse-100-km-Läufer (6:58), von seinem Verband in diesem Park abmessen lassen und festgelegt, dass diese Strecke für 6 Tage das Maß der Dinge für einen kleinen Haufen Extremläufer werden soll. Jeden Tag wird die Richtung geändert, die Strecke bleibt aber dieselbe: topfeben, überwiegend feste rote Sandunterlage mit kleinen Steinchen, gut zu laufen, ca. 20 Prozent asphaltiert. Schatten gibt es wenig. Hin und wieder weht ein leichter Wind, der wenigstens den Ansatz einer Kühlung vortäuscht. Die Temperaturen sind so hoch, wie selten in Kopenhagen: sensationelle 30 ° im Schatten, aber wie gesagt...

Jesper Olsen(r.) und Arun Bhardwaj bei der Streckenbesichtigung

15 Teilnehmer waren ursprünglich vorgesehen, am Start waren es dann 10. Zwei Franzosen, zwei Schweden, drei Dänen, ein Inder, eine Französin und Conny. Yiannis Kouros hatte Interesse bekundet, die 10.000 Euro Startgeld, die er erwartete, waren aber etwas zu hoch gegriffen, so dass das Rennen ohne ihn stattfand. Bei dem Amerikaner und dem Kanadier hatte es Probleme mit den Flügen gegeben, Martina Hausmann wollte die Zwangspause während der Nacht nicht zusagen – es blieben also zehn Aufrechte, die sich die Bewunderung und das Kopfschütteln der Tausende, die diesen Park in unterschiedlicher Form zur Regeneration nutzten, redlich verdienen sollten.

Zum Start war das Dänische Fernsehen (TV2) und reichlich Presse erschienen. In der Hauptsache wollten sie natürlich wissen, wie Jesper Olsen seine Konkurrenz sieht – und, immer wieder die gleiche Frage: warum tut der Mensch so etwas? Dazu noch freiwillig! In dieser Hitze! Hierzu ein Ausspruch des Inders Arun Bhardwaj, der in Verlauf der sechs Tage einen neuen Indischen Rekord aufstellen sollte: "Der Unterschied zwischen den Lebenden und den Toten ist, dass sich die Lebenden bewegen können, die Toten aber nicht. Ich lebe – also bleibe ich in Bewegung!"

Die Strecke war jeweils von 8.00 bis 24.00 Uhr geöffnet. In dieser Zeit mussten die angestrebten Kilometer bewältigt werden. Am Starttag, Sonntag dem 03. August, ging es um 14.00 Uhr auf die Strecke, der letzte Tag, Samstag, 09.August endete ebenfalls um 14.00 Uhr. An jedem Tag, auch am Start- und Schlusstag musste als Mindeststrecke die Marathondistanz zurückgelegt werden. Als besonderen Ansporn gab es täglich einen von ASICS gesponserten Preis (Hemd oder Hose) für die Person, die als erstes die Marathondistanz hinter sich gebracht hatte. Und, auch eine nette Idee, der Gesamtführende erhielt jeden Tag ein gelbes Shirt, so dass die Zuschauer im Park sehen konnten, wer denn im Moment an der Spitze liegt.

Conny begann gewohnt ruhig, die Franzosen Claude Hardel und Jean-Pierre Guyomarc´h kachelten los, was das Zeug hielt. Recht früh wurden die Positionen bezogen. Jesper Olsen, der auf den dritten Gesamtrang spekuliert hatte, fand sich nach dem ersten Tag zu seiner Überraschung hinter Conny auf dem vierten Platz wieder. Claude belegte den ersten Rang und sollte ihn bis zum Schluss mit 761,640 km nicht wieder abgeben. Dahinter hielt Jean-Pierre seine Position (670,763 km). Conny war nicht gewillt, den dritten Platz (628,930 km) wieder her zu geben und so konzentrierte sich zum Schluss alles auf die Frage, ob Christine Bodet es schaffen konnte, ebenfalls an Jesper vorbei zu ziehen. Am Freitagabend, dem vorletzten Lauftag, lagen beide mit derselben Kilometerleistung von 501,8 km gleichauf. Der Samstag brachte die Entscheidung um Platz vier zu Gunsten von Jesper. Mit 549,593 km stellte er einen neuen Dänischen Rekord auf. Christine musste sich mit 546,707 km nur knapp geschlagen geben.

Die beiden Schweden Andreas Larsson und Mathias Bramstang hatten, da sie zum ersten Mal (wie Conny auch) einer solchen Herausforderung gegenüber standen, von Anfang an auf das "Erleben" des letzten Tages gesetzt und sich pro Tag bei Kilometerleistungen um die 50 km eingerichtet, sie erreichten die Ränge 8 + 9. Rasmus Nissen aus Dänemark musste nach rund 140 km am zweiten Tag einer alten Verletzung Tribut zollen und Michael Larsen, ebenfalls Dänemark kämpfte wacker und erreichte trotz Schmerzen in der Muskulatur mit 434 km den 7. Rang.

Conny hatte während der sechs Tage ziemlich alles zu überstehen, was der Läuferkopf so an Gemeinheiten zu bieten hat. Von: "was mache ich hier eigentlich, hätte ich nur auf dich gehört und wir hätten einfach nur irgendwo einen Faulenzerurlaub gemacht", bis "den letzten Tag schaffe ich jetzt auch noch – und wenn es sein muss, auf einem Bein!", war die gesamte Bandbreite der Möglichkeiten vertreten. Schon am ersten Tag forderte die Hitze ihren Tribut. "Ist das schwer – ich bin froh, wenn das hier vorbei ist", war noch die geringste Reaktion. Der Körper brauchte Flüssigkeit, der Magen wollte sie aber nicht haben. Durchfall und Übelkeit waren die "Strafen" des Körpers am zweiten Tag. Es half nichts, der Magen musste, ob er wollte oder nicht. Alex Pedersen, Dänischer Weltklasse-Triathlet, hatte sich bereit erklärt, die Versorgung der LäuferInnen mit Elektrolythen, Kohlehydraten und Eiweißen sicher zu stellen. Sein Sponsor JUICELL hatte die nötigen Mengen an Flüssignahrung beigesteuert. Von seiner Erfahrung konnte Conny profitieren und ihren Energie- und Flüssigkeitshaushalt in die Waage bringen. Aisha Nielsen, selbst eine der besten Triathletinnen Dänemarks hatte sich für die Massage der Teilnehmer zur Verfügung gestellt. Normalerweise begleitet sie die Dänischen Teams zu Ultra- oder Triathlon-Meisterschaften. Jetzt half sie Conny mit einem Tipp zur Ernährung und besorgte gleich die nötige Babynahrung (Reis- und Maisbrei, in heißem Wasser angerührt, mit Rosinen) Es wirkte Wunder.

Die ganze Gruppe auf einer gemeinsamen letzten Runde am Ende der 6-Days

Letztlich hatte Conny ihr Ziel, pro Tag im Schnitt 100 Kilometer zu schaffen, erreicht. Eine nette Siegerehrung, bei der sie gleich zwei Trophäen für den dritten Gesamtrang und als beste Frau in Empfang nehmen durfte, war der würdige Abschluss für eine Veranstaltung, bei der man den berühmt-berüchtigten Geist der Ultras erleben durfte. Trotz teilweise sehr enger Abstände, wurde immer fair gekämpft und man half sich gegenseitig über die Runden. Ein Barbecue mit allen Teilnehmern zum Abschluss rundete die Tage in Kopenhagen ab. Beim Abschied war man sicher, neue Freunde gewonnen zu haben. Wo immer wir uns wieder sehen werden – die 6 Tage von Kopenhagen werden uns verbinden.


© Sigi Bullig , 12. August 2003
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