Zufälliges Zitat

"Ich bin krank, aber nit so krank, dass ich nit 24-stunden laufen könnte"

Stefan Schlett, erkältet in Wörschach

Nächster Ultramarathon

Frank Hildebrand , 28. August 2004

Von 0 auf 100 in unter 4 (Wochen)

oder 100 km-Duschen incl. Kneipp-Kur (Kalte Güsse, Wassertreten, Schlammpackungen.....)

Thomas G. (der aus Wetten, dass...) würde jetzt zur Einleitung sagen: "Liebe Kinder, das was jetzt kommt, das dürft Ihr auf gar keinen Fall nachmachen, das könnte Eure Gesundheit gefährden, bla bla bla." Dem kann ich mich nur anschließen. Wer mich trotzdem als schlechtes Vorbild verwenden möchte, soll es machen. Ich würde mich über einen Erfahrungsbericht freuen ;-))

Im August 2003 war ich das letzte Mal beim Dodentocht (Todesmarsch) in Bornem (Belgien) -- siehe Bericht. Das war für mich leider auch der letzte gefinishte (Ultra-)Marathon. Anfang 2004 hat mich meine kaputte Bandscheibe außer Gefecht gesetzt, sodass ich mehrere Monate gar nicht in der Lage war zu laufen. Zeitweise bereitete mir sogar das Gehen heftige Schmerzen.

Mein Doc verdonnerte mich dann zu intensiver Stärkung und Mobilisierung des Rückens. Trotzdem hatte ich noch recht lange Schmerzen und war laufunfähig.

AM 18.7.2004 dann die ersten 8 halbwegs schmerzfreien Laufkilometer. Endlich wieder -- ich kehre ins Läuferleben zurück!! Na das wurde auch Zeit. Genau eine Woche später dann 18km, eine weitere Woche später 25km. Dazwischen ein paar kürzere Einheiten. Und alles ohne Schmerzen. Spätestens während der 25km-Einheit kamen dann die ersten Gedanken an größere Dinge. Unter anderem natürlich an den Dodentocht (wie passend für mich).

Ab dem 5.8. ist für mich mal wieder trainingsfrei. Aber nicht wegen der Bandscheiben, sondern weil wir am einzigen wirklich heißen Wochenende unsere Wohnung streichen. Die ältere Tochter ist das ganze Wochenende unterwegs, da müssen wir nur die jüngere outsourcen :-). Dazu noch Vor- und Nachbereitung und 1 1/2 Wochen sind gelaufen. :-((

In der Woche vorm Dodentocht erzähle ich Stephan von meiner verrückten Idee. Er macht mir Mut und behauptet, wenn das einer fast ohne Training schafft, dann wohl ich. Hmmm, was er wohl damit sagen will....

Dienstag ruft Bernd mich dann noch an, weil er die 100km vielleicht wandern will. Damit steht für mich die Teilnahme endgültig fest. Wenn ich von Anfang an extrem vorsichtig loslaufe und dabei noch reichlich Gehpausen einstreue, dann sollte das Ankommen irgendwann möglich sein. Letztes Jahr habe ich 14 Stunden für die 100km gebraucht. Dieses Jahr nehme ich mir 16 Stunden als Ziel vor. Und wenn's länger dauert, ist's auch egal.

Am Freitag, den 13ten 8. 2004 ist es soweit. Bernd holt mich um 16:00 Uhr ab. Fast die ganze Fahrt über ist es trocken, wir rätseln, wie das Wetter wohl in der Nacht wird. Laut Wetterbericht soll es am nächsten Tag bei uns besser werden, und auf dem Satellitenbild sah es so aus, als ob das gute Wetter von Westen kommt. Na wir werden sehen...

Am Anmeldezelt dann eine riiieeeesen Schlange. Wollen die sich etwa noch alle anmelden?? Bernd verfolgt die Schlange und stellt fest, dass das die vorangemeldeten Wanderer sind. Bei den Leuten ohne Voranmeldung nur eine Schlange von vielleicht 50 Leuten. So sind wir recht schnell wieder raus und haben noch Zeit für ein Stück Pizza. (Der Pizzabäcker fand die umstehenden Frauen viel interessanter als unsere Pizza, so hat er mehr als 5 Minuten gebraucht, um zwei Mini Pizza zu belegen) :-))

Anschließend wieder zum Auto. Was ziehen wir an?? Kurz? Lang? Ich weiß einfach nicht. Ich entscheide mich für lange Tights, kurzes Shirt und die gute Aldi-Jacke, bei der ich die Ärmel abnehmen kann. Nach den üblichen Vorbereitungen dann ab zum Startplatz. Dieser ist dieses Mal nicht im Park sondern vor der Abtei Bornem. Ob die da wohl auch einen guten Draht zu Petrus haben?? Dort sind wir erst gegen 20:40 und stehen sehr weit hinten.

21:00 Uhr geht's (wieder ohne Startschuss) los. Trotzdem brauche ich 'ne halbe Stunde bis zum Überqueren der Startlinie. Nächstes Mal werde ich sicher wieder eher hier sein!!

In den nächsten zwei Stunden bin ich damit beschäftigt, mich freizulaufen. Es sind doch einige Tausend Wanderer (mit einigen Tausend Regenschirmen -- braucht man eigentlich gar keinen Waffenschein für die Dinger??) unterwegs. Und die Straßen rund um Bornem sind dieser Menschenmasse nicht gewachsen. Beim nächsten Mal bin ich früher da!!

Inzwischen hat es jetzt auch richtig angefangen zu regnen. Es wechseln sich Wolkenbrüche, Starkregen und Landregen ab. Einige Zuschauer stehen trotzdem am Straßenrand, andere haben ihre Dodentocht-Partys in die Garagen verlegt. Von dort kommt die Stimmung zwar nicht so gut rüber, aber immer noch besser als gar keine Zuschauer. Meine Jacke hält das Wasser schon lange nicht mehr von mir ab. Da mir die nassen Ärmel recht unangenehm werden, trenne ich die Ärmel ab und laufe den Rest der Nacht nur mit der Weste.

Die Feldwege zwischen den einzelnen Dörfern durchweichen auch immer mehr. Zu Anfang bemühe ich mich noch, alle Pfützen und Schlammlöcher zu umlaufen und so nasse Füße zu vermeiden, irgendwann bleibt aber nur noch der Weg mittendurch. Die Farbe meiner Schuhe wechselt regelmäßig zwischen fast schwarz (wenn ich mal wieder fast im teilweise knöcheltiefen Schlamm steckengeblieben bin) und hellgrau (wenn die Schuhe auf Asphaltstrecken mal wieder vom Regen fast saubergewaschen werden).

Zeitweise kommt es mir vor, als würde ich unter der Dusche laufen. Nur ist das Wasser etwas kühler. Selbst die Finger sehen bald so aus, als würde ich seit Stunden in der Badewanne sitzen. So einen Regen habe ich noch nicht erlebt!!

Die Verpflegung ist so gut wie das letzte Mal. Nur tun mir heute die armen Helfer leid, die stundenlang im Regen stehen. Hut ab vor dieser Leistung und vielen Dank dafür!

Nach den ersten 50 km merke ich langsam wieder meine Müdigkeit und nutze die nächste Verpflegungsstelle für ein Nickerchen im Sitzen (ich glaube Elisabeth nannte das "Power-Napping"). Nach 5 Minuten mit geschlossenen Augen weckt mich ein Zuschauer und macht mir klar, dass ich nicht zum schlafen sondern zum Laufen hier bin! Ich unterhalte mich noch kurz mit ihm und gehe dann wieder auf die Strecke.

Ab km 60 dann das, womit ich schon die ganze Zeit gerechnet habe. Mein katastrophaler Trainingszustand macht sich bemerkbar und ich spüre zusätzlich zur Müdigkeit meine Erschöpfung. Mir fehlt zeitweise einfach der Wille, noch einen Fuß vor den anderen zu setzen. Ich möchte mich einfach mitten auf die Straße setzen und mich nicht mehr fortbewegen. Die extreme Nässe hindert mich zum Glück daran. Also setze ich brav einen Fuß vor den anderen und komme -- wenn auch langsam -- der nächsten Verpflegungsstelle näher.

An der Verpflegung dann kein Gedanke daran, einfach in den nächsten Bus zu steigen. Nee, dafür bin ich nicht hier. Ganz automatisch nehme ich mir einen oder zwei Becher warmen Tee, viel Zucker rein, etwas vom angebotenen Essen und marschiere weiter. Inzwischen kein Laufen mit Gehpausen, sondern eher Marschieren mit mehr oder weniger kurzen Laufeinlagen. Dafür regnet's auch nicht mehr.

Irgendwann, nachdem ich mal wieder eine Pfütze durchquert habe, die die ganze Breite des Weges eingenommen hat, steht ein Feuerwehrwagen mit Blaulicht vor mir. Die Feuerwehrleute fangen gerade an, das Wasser vom Weg zu pumpen. Na das nenne ich Service, wenn auch etwas zu spät für mich. Da sieht man mal wieder, welchen Stellenwert der Dodentocht in Bornem und Umgebung so hat.

Ein absoluter Tiefpunkt kommt für mich noch mal nach 90 km. Ich rechne damit, dass jetzt der letzte Verpflegungsstand (km95) kommt. Dieser liegt direkt am Deich, ist somit leicht zu erkennen. Stattdessen aber ein anderer Verpflegungsposten, der vorletzte. Ich habe also nicht nur fünf, sondern noch zehn km zu laufen. Aber auch das ist irgendwann geschafft und ich erreiche wieder Bornem. Hier sitzen und stehen wieder einige Zuschauer am Straßenrand und begutachten die Teilnehmer. Irgendjemand meint, ich würde aber noch gut aussehen. Sind halt höfliche Leute die Belgier. ;-)

Auf dem letzten Kilometer mobilisiere ich noch mal die letzte Energie die noch in mir steckt für ein kleines "Schaulaufen". Die Zuschauer würdigen es teilweise mit Applaus. Das Zielzelt kommt in Sicht, eine letzte Zeitnahme im Zelt und ich habe es geschafft. Ich kann es kaum glauben. Nach dieser langen läuferischen Durststrecke, nach der langen Trainingspause, nach diesen Bandscheibenproblemen, die mich zeitweise sogar am Gehen gehindert haben, habe ich es endlich wieder geschafft!! 100 km!!

Die Urkunde wird wieder sofort ausgedruckt. Auch 'ne Ananas und 'ne Gladiole gibt's wieder. Dieses Mal ziert meine Medaille zusätzlich noch eine 2, weil es die zweite erfolgreiche Teilnahme war. Angeblich gibt es sogar einen Teilnehmer, der jetzt beim 35ten Dodentocht das 35te Mal dabei ist. Ich kann es kaum glauben.

Mein Fazit 2004

Auch dieses Jahr war der Dodentocht wieder eine rundum gelungene Veranstaltung. Hier wird mehr geboten, als bei City-Marathons; und das für rund 1/3 des Startgeldes. Die Versorgung ist nahezu perfekt, die Abstände der Verpflegungsstellen sind es, alle Straßen sind gesperrt, an fast allen Abzweigungen stehen Streckenposten, die Überquerung von Hauptstraßen wird sogar durch Polizei abgesichert.

Bornems Straßen werden langsam zu eng für die Masse der Teilnehmer. Da fehlen dem Veranstalter aber leider die Alternativen.

Wanderer können teilweise recht rücksichtslos sein. Drei Wanderer mit Regenschirm nebeneinander schaffen es, dass keiner mehr in der Lage ist zu überholen (nicht nur Läufer, sondern auch schnelle Wanderer).

Den Helfern, die die ganze Nacht im Regen stehen, kann man gar nicht genug danken!

Soweit zur Veranstaltung, jetzt zu mir:

Von 0 auf 100 in unter vier Wochen? Mit etwas Ultra-Erfahrung verrückt, aber durchaus machbar. Ob es nachahmenswert ist, darf jeder selbst entscheiden.

Mein größter Erfolg ist aber, dass ich die 100km ohne Bandscheibenprobleme durchgehalten habe!! :-))


© Frank Hildebrand, 28. August 2004

Weitere Info's und Berichte zum Lauf: