3.5 Gerlingen 1995
Im August 1995 fuhr Adolf Weidmann nach Gerlingen, um dort an der "Ärzte- und Apotheker-Meisterschaft über 10.000 m" teilzunehmen. Für einen erfahrenen Läufer im 93. Lebensjahr ist da die Bahn-Anreise schon mal aufregender als der eigentliche Lauf:
Erschienen im DUV-Statistik-Jahrbuch 1995/1996. Bericht von Adolf, Rechtschreibfehler vom Steppenhahn ;-))
Dr. Adolf Weidmann, 66909 Matzenbach, 3. September 1995
Kurzbericht
über meinen Besuch in Gerlingen am 19./20. August 1995 aus Anlaß der dort ausgetragenen Ärzte- und Apotheker-Meisterschaft über 10.000m
Merkwürdig, da flattert mir im Verlaufe des Monats Juli 1995 eine Broschüre auf den Schreibtisch mit der Überschrift auf der Titelseite: "AZUPHARMA-POKAL zum 20jährigen AZUPHARMA-Jubiläum."
Unmittelbar darunter lautet die Eintragung: "11. Deutsche Ärzte- und Apotheker-Meisterschaft über 10.000 m des Deutschen Verbandes langlaufender Ärzte und Apotheker e. V., Sonntag, 20. August '95. Start: 10.00 Uhr in 70839 Gerlingen". Ich las den Text der folgenden 24 Seiten durch und erlebte die Überraschung, daß ich selbst ganz unvermittelt vor der Frage stand, ob ihc da nicht mitmachen wolle. Nun, mir wars recht, ich entschied mich zum Start.
So setzte denn eine Abenteuer-Tour ein, sehr lehrreich und interessant einerseits, nicht minder überraschend und anstrengend aber auch andererseits, zumal ich in Gerlingen niemals zuvor gewesen bin.
Bereits bei der Abfahrt per Bahn ohne jegliche Ahnung, wie es ab Stuttgart weitergehen würde und wie ich mich so ganz alleine am Ziel zurechtfinden würde, kamen mir doch einige Zweifel ob des Erfolges meines Unternehmens, allein schon was die Hin- und Rückreise betrifft. Da jedoch schaltete sich der "Regisseur Zufall" ein, der in meinem langen Leben von je her schon eine entscheidende Rolle gespielt hat und auch heute noch spielt. Er, mein Regisseur, zauberte nette Menschen an meine Seite: So bereits im D-Zug eine Studentin aus Hamburg und ihrem Freund, einen Diplom-Ingenieur, der eben in Gerlingen Fuß gefasst hat und der sich dort sehr wohl fühlt. Die beiden wurden meine Weggefährten; auch am Nachmittag bei der Suche nach den umdisponierten Sitzungs- und Vortragsräumen halfen sie mir.
Die gleiche Freundlichkeit und Hilfsbereitschaft durfte ich dann auch bei den Bürgern Gerlingens während der beiden Tage meines dortigen Aufenthalts erleben.
Und ebenso erging es mir am Starttag selbst, am 20. August also, als ich am Nachmittag nach der Siegerehrung die Heimreise antrat. Beim Stuttgarter Hauptbahnhof angekommen, wurde ich - auf meine Frage hin - von zwei jungen Helferinnen mitsamt meiner ziemlich schweren Reisetasche, die von ihnen getragen wurde, so rasch in den Zug nach Mannheim verfrachtet, der auch gleich abfuhr, daß mir nicht einmal Zeit blieb, ihnen noch Dank zu sagen.
Im D-Zug selbst, dessen Waggon wegen sonntäglicher Überfüllung aus allen Nähten platzte, bin ich gleich mit dem Ruf begrüßt worden: "Macht mal dem Alten einen Sitzplatz frei!" Mir blieb kaum Zeit mich umzusehen; im Nu saß ich neben einem Pärchen, das sogleich das Sitzplatzproblem dadurch gelöste, daß er seinen Schatz auf den Schoß nahm, wobei beide mich vergnügt anblinzelten.
Gegen 22 Uhr war ich dann daheim, von meiner Frau freudig begrüßt.
So weit die Schilderung meiner Sport-An- und Rückreise. Die Bürger , -alt und jung- sind aufgeschlossener, hilfsbereiter, netter geworden, wenn man nur zu erkennen gibt, oder sie sehen, daß man ihrer Hilfe bedarf. - Auf der anderen Seite aber muß man die Augen/Ohren offen halten; namentlich in der heutigen Zeit ist Vorsicht geboten!
Aufschlußreich und instruktiv war auch meine Teilnahme an der Ordentlichen Mitgliederversammlung des "Deutschen Verbandes langlaufender Ärzte und Apotheker e.V. (DVLÄ)", dem ich seit vielen Jahren als Mitglied angehöre und dessen Ehrenmitglied ich seit Oktober 1986, meinem 85. Lebensjahr bin. Denn ich hatte Gelegenheit, den 1. Vorsitzenden des DLVÄ, Dr. med. Willi Heepe, Berlin, persönlich kennenzulernen; desgleichen auch die Mitglieder des Vorstandes einschließlich des Pressereferenten, Dr. med. Rudolf Ziegler, Heppenheim, der in der Organisation bewandert und erfolgreich ist. Im Verlaufe meines Gesprächs mit Dr. Heepe am Vorabend des Starts, anläßlich der kostenlosen ausgezeichnet zubereiteten Nudelparty, die sich eines großen Zuspruchs erfreute, bot sich uns Gelegenheit zu zusätzlichem näherem gegenseitigem kennenlernen. So erfuhr ich auch, daß drei Buben und drei Mädchen zu Dr. Heepes Familie zählen und daß Papa Heepe sein jüngstes Kind, das Nesthäkchen regelmäßig im Kinderwagen zu seinen Läufen und Märschen mitnimmt. Kompliment, Sportfreund Heepe nebst Familie!
Um so mehr freute ich mich darüber, daß Dr. Heepe sich am Sonntag um 10 Uhr beim 10.000 m Start zu mir gesellte und nicht mehr von meiner Seite während des gesamten Weges gewichen ist. Da sich bei mir ab Kilometer 7 Wadenkrampf-Symptome einstellten (deren Tücke ich von meinem vielen Lauf-Training durchaus zu beurteilen vermochte), mußte ich mein Marschtempo drosseln; eine Chance übrigens für Dr. Heepe, da und dort Brombeerpflück-Pausen einzulegen.
Das Ziel erreichten wir nach einer Stunde, 35 Minuten und 42 Sekunden; natürlich war ich heilfroh über den ersten besten Sitzplatz, der sich mir bot. Und natürlich freuten wir uns auch über den uns gespendeten Beifall.
Als ich später bei der Siegerehrung, die über 2 Stunden in Anspruch nahm, während meiner Dankesansprache kurz über meine früheren 100_km_Läufe berichtete, durfte ich mich lang anhaltenden Beifalls erfreuen.
Der Beifall - als ausdrückliche Ovation des Dankes - nahm dann noch zu, als ich, selbst einen kleinen Pokal in Händen haltend, auf die den Sport fördernden SPONSOREN zu sprechen kam, DENN OHNE DEREN UNTERSTÜTZUNG UND FÖRDERUNG KANN DIE VORBILDLICHE WELTWEITE SOLIDARGEMEINSCHAFT SPORT NICHT EXISTIEREN.
Wo aber auf der Erde gibt es noch solch eine GEMEINSCHAFT DER TOLERANZ, in deren Bereich AUCH DIE LEBENSFREUDE BEHEIMATET IST!
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