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Bericht Weltläufer unterwegs in Norddeutschland.... - Ultramarathon beim Steppenhahn (01.2004)
Uli Schulte , 22. Januar 2004

Weltläufer unterwegs in Norddeutschland....

Weltenbummler hat es schon immer gegeben. Weltläufer sind eine eher neue Spezies. Nach Transamerika, Transaustralien und Transeuropa jetzt der Worldrun? Seit über 2,5 Jahren hat der dänische Ultraläufer Jesper Olsen das Unternehmen geplant. Einmal um die ganze Welt auf der sogenannten Nordroute soll der Lauf gehen. Start war am 1. Januar 2004 in Greenwich / London. Dort soll auch das Ziel sein - in knapp 2 Jahren, nach etwa 26.000 Kilometern, wenn alles klappt wie geplant. In der Zwischenzeit werden zahlreiche Länder zu Fuss durchquert: nach England folgte Nordfrankreich, Belgien, die Niederlande, Norddeutschland. Weiter wird es gehen über Dänemark, Schweden, Finnland nach Russland. Die ehemalige Sowjetunion ist mit einer Länge von rund 10.000 Kilometern die nächste Herausforderung. Weiter geht’s durch Japan, Australien, Kanada, Nordamerika. Den Abschluss bildet Schottland, von dort aus schließt sich der Kreis in Greenwich / London. 10 zunächst interessierte Langstreckler aus aller Welt sind nach und nach abgesprungen: entweder fühlten sie sich nach den Trainingscamps im Vorfeld der Herausforderung nicht gewachsen, konnten die nötigen Finanzen nicht aufbringen oder wollten die lange Abwesenheit von ihren Familien nicht wagen. Übriggeblieben ist neben Jesper Olsen der Russe Alexander Korotkov.

Jesper ist 33 Jahre alt, ledig und wissenschaftlicher Assistent an einem Kopenhagener Forschungsinstitut für Politikwissenschaften. In seiner Freizeit engagiert er sich für behinderte Menschen. Alexander ist 45 Jahre, verheiratet und hat 2 Söhne im Alter von 20 und 12 Jahren. Er ist von Beruf Computer Programmierer bei einer Bank in St. Petersburg. Zur Orientierung: Jespers Marathon - Bestzeit steht bei 2.27 Stunden, Alexanders bei 2.49 Stunden.

Alexander und Jesper bei der Zeitung
Alexander und Jesper umgeben von Uli Schulte und Step Steppenhahn

Während die beiden Ultraläufer im Norden Deutschlands unterwegs waren, hatte ich die Gelegenheit, sie persönlich kennen zu lernen, als Gäste in meinem Haus zu begrüßen und sie ein Stück weit auf ihrem Lauf zu begleiten. In diesen Tagen habe ich Jesper und Alexander schätzen gelernt. Sie sind sehr freundlich, bescheiden, hilfsbereit, natürlich und lustig. Ihre Anwesenheit bei uns war für mich und meine Familie ein großer Gewinn! Ich habe Jesper einige Fragen gestellt, und er war so freundlich, mir offen und ehrlich zu antworten.

Uli: Wie bist Du auf die Idee gekommen, einen Weltlauf zu planen? Was war Deine Motivation?

Jesper: Zunächst möchte ich mich bedanken, dass wir bei Euch zu Gast sein können. Ohne die Gastfreundschaft und Anteilnahme anderer Menschen wäre ein Weltlauf nicht durchführbar. Nun, es gibt eine Reihe von Beweggründen für unser Unternehmen. Zunächst ist es ein Ziel, die ersten Menschen zu sein, die die Welt laufend umrunden. Dieses Ziel gilt für Alexander und mich. Dann gibt es auch persönliche Motive, für mich ist es z.B. großartig, die verschiedenen Länder kennen zu lernen, die wir durchqueren werden, und zwar in einem langsamen Tempo. Zu sehen, wie sich Land und Leute langsam verändern.

Uli: Durch 5 Länder seid ihr in den vergangenen 19 Tagen schon gelaufen. Kannst Du mir etwas über Eure Erfahrungen auf der Straße berichten?

Jesper: In England gab es an den Straßen kaum Rad - oder Fußwege. Wer nicht mit dem Auto unterwegs ist, muss notgedrungen auf kleinere Nebenstraßen ausweichen. Die Autos fahren sehr schnell, und wir hatten das Gefühl, dass es wenig Verständnis für uns Läufer gab. In Nordfrankreich gab es auch keine Radwege neben der Straße, aber die Autofahrer waren rücksichtsvoller. In Belgien fingen die Radwege an, und das hat es für uns komfortabler gemacht. Noch besser wurde es dann in Holland. Radwege überall, auch an den Hauptrouten. Aber es gab etwas Probleme mit den Ausschilderungen. In Deutschland dann, in Ostfriesland, gab es viele kleinere Strassen, so dass wir leicht die Orientierung verloren. Besser wurde es dann, je näher wir nach Bremen kamen. Gute Radwege, gute Ausschilderung. In Holland und Deutschland haben wir die Autofahrer als sehr rücksichtsvoll erlebt.

Uli: Wie waren Eure Erfahrungen mit Menschen in den vergangenen 3 Wochen?

Jesper: Wie gesagt, in England hatten wir das Gefühl, dass die Menschen wenig Verständnis für unser Vorhaben zeigten. Die Leute waren - aber das mag subjektiv sein - eher verschlossen. In Frankreich, Belgien und Holland wurde uns mehr Offenheit entgegengebracht. Ganz besonders in Holland zeigten sich die Menschen interessiert. In Deutschland scheint es mir so zu sein, dass das Thema Ultralauf einigermaßen bekannt ist. In Skandinavien werden wir mit der Akzeptanz wohl eher Probleme haben, da unser Sport dort noch nicht so publik ist.

Uli: Gab es eine besonders positive Erfahrung, von der Du berichten möchtest?

Jesper: Nachdem wir in den ersten 15 Tagen überwiegend in unserem kleinen Zelt übernachten mussten, hatten wir ein sehr schönes Erlebnis in Holland. Eines Abends - wir waren ziemlich fertig von dem ständigen Regen der vergangenen Tage - bauten wir wieder unser Zelt auf. Plötzlich kam ein großer Mann auf uns zu, sein Name war Kees. Er sprach uns an: "Denkt ihr nicht, dass es schöner wäre, in einem Haus zu übernachten, anstatt hier im Zelt?" Ich fragte Alexander, der nickte, und die fremde, holländische Familie mit 5 Katzen und einem Hund nahm uns einfach auf. Sie stellte auch spontan Kontakt zu einem anderen Marathonläufer her. Diese Freundlichkeit - wie auch hier in Bremen - hat uns sehr berührt und ist sehr wichtig für uns. Man kann, wenn man gut trainiert ist, jeden Tag 50 Kilometer laufen. Aber ohne Kontakt zu Menschen, Gastfreundschaft und Quartier wird der Weltlauf nicht funktionieren können.

Uli: übernachtet ihr auch schon mal im Hotel?

Jesper: Möglichst nicht! Wenn es nicht anders geht, gestehen wir uns maximal 1 Hotelübernachtung pro Woche zu. Aber in der Regel dürfte uns dieser Luxus eher schaden. Ich schlafe am liebsten auf dem harten Boden.

Uli: Wenn ihr mal in Euren Zelten, die Ihr in Eurem Babyjogger mitführt, übernachten müsst, sucht ihr dann einen Campingplatz auf?

Jesper: Nein, wir haben da so unser eigenes System. Wir versuchen, gegen 17.00 Uhr unsere Tagesetappe zu beenden. Wenn es geht, schlagen wir unser Zelt im Wald auf. Wenn nicht, dann an der Straße. Möglichst fragen wir die Anwohner, ob sie nichts dagegen haben.

Uli: Wie lang sind im Durchschnitt Eure täglichen Etappen?

Jesper: Normalerweise zwischen 44 und 47 Kilometern, wobei uns unsere Regeln gestatten, alle 14 Tage einen Ruhetag einzulegen. Was wir vorher nicht bedacht haben, sind einige Navigationsprobleme. Wir haben uns immer mal wieder verlaufen, so dass es täglich gut 55 Kilometer wurden.

Uli: Fast immer hat es in den letzten 19 Tagen geregnet. War das ein Problem für Euch?

Jepser: Anfangs nicht. Da haben wir noch gedacht: "Na, das hört schon bald auf!" Als es nach 14 Tagen immer noch regnete, wurde es schon problematisch. Die Wäsche trocknet nicht mehr, wir müssen im feuchten Schlafsack übernachten. Aber dann stellen wir uns vor, dass wir in einigen Wochen Kopenhagen erreichen, wo wir Familien und Freunde treffen. Dann irgendwann Alexanders Familie in St. Petersburg. Während wir durch Russland laufen, werden Unterkünfte organisiert sein. Und mit dieser Perspektive geht es dann. Eine gute Aussicht ist es auch, dass wir in Russland nicht mehr den Babyjogger zu schieben brauchen, da wir Fahrzeugbegleitung haben werden.

Uli: Ein Babyjogger ist ein Kinderwagen für Läufer. Wozu braucht ihr den?

Jesper: Wir müssen ja einiges an Gepäck mitführen: Zelte, Schlafsäcke, Essen und Trinken für mindestens 2 Tage. Bei der Diskussion, ob wir mit Babyjogger oder mit Rucksäcken laufen sollen, fiel die Wahl auf den Kinderwagen. Wir denken, dass es entlastender für unsere Gelenke ist, ohne Rucksack zu laufen. Ausserdem bekamen wir den Babyjogger gesponsort.

Uli: Hat die Ausrüstung bis jetzt gut gehalten?

Jesper: Es gab einige Probleme mit den Reifen unseres Gefährts. Mehrere Male mussten wir einen Platten flicken. Wenn wir uns dann am gleichen Tag noch verlaufen hatten, wurde es eng mit der Zeit. Andrerseits haben wir den Tag über viel Zeit, um über solche Probleme nachzudenken.

Uli: Wieviel Paar Laufschuhe werdet Ihr brauchen?

Jesper: Was unsere Bekleidung betrifft, so werden wir von der Firma Asics gesponsort. Wir haben neben der Kleidung jeder 40 Paar Laufschuhe bekommen. Das ist gut - aber auch ein Problem, da wir die Schuhe ja nicht mitschleppen können. So haben geplant, dass je 5 Paar Schuhe in Kopenhagen deponiert werden, 12 Paar in Sibirien usw. Wir hoffen natürlich, dass das alles klappt und die Schuhe rechtzeitig da sind...

Uli: 2 Läufer aus 2 Nationen mit unterschiedlichem Charakter und Temperament. Klappt das?

Jesper: Jeder muss sich auf den anderen einstellen, anstatt nur an sich selbst zu denken. Wenn jeder nur an sich denken würde, würde ich unserem Lauf nur eine Woche geben. Alexander und ich haben uns seit 2 Jahren vorbereitet, gemeinsame Trainingscamps gemacht, so konnten wir uns gut kennenlernen. Ich empfinde es auch als Vorteil, dass wir sehr unterschiedlich sind. So können wir einander ergänzen und unterstützen und die Schwächen des anderen ausgleichen.

Uli: Was esst und trinkt ihr denn so? Nudeln und Isostar?

Jesper: Da sind wir ganz unterschiedlich. Ich nehme morgens ein kleines Frühstück zu mir, esse dann tagsüber beim Laufen fast nur Schokolade und trinke Cola. Dass es bei Euch abends Currywurst und Pommes Frittes gab, war für uns eine grosse Freude! Ich glaube, wir brauchen nicht nur Kohlehydrate, sondern auch Fett. Alexander frühstückt viel, ernährt sich gesünder, braucht beim Laufen kaum was zu essen, trinkt meisst nur Wasser oder morgens und abends schwarzen Tee - wie es in Russland üblich ist.

Uli: Werdet ihr auch mal von anderen Läufern begleitet? Würdet ihr das schätzen, oder seid ihr lieber auf Euch selbst gestellt?

Jesper: Wir schätzen es sehr, wenn andere Läufer uns begleiten. Bei einem so langen Rennen ist es unerlässlich, Kontakt zu Anderen zu haben, etwas von der fremden Sprache kennen zu lernen, Freundschaften zu knüpfen - das gibt uns Kraft und Energie. So wird uns z.B. von St. Petersburg bis nach Vladiwostock etwa 7 Monate lang eine bekannte, japanische Ultraläuferin begleiten. Sie spricht kein Englisch, aber ich bin sicher, dass wir trotzdem kommunizieren werden.

Uli: Apropos Sprache - wie verständigt ihr beiden Euch?

Jesper: Überwiegend in Englisch. Aber wir haben auch unsere eigene Art von Kommunikation entwickelt. In Westeuropa kann ich mich sicher besser verständigen. In den langen Monaten danach wird Alexanders Russisch von unschätzbarem Wert sein!

Uli: Wie sieht denn Eure zeitliche Planung für die nächsten Monate aus?

Jesper: Ende Januar werden wir Dänemark erreichen. Im Februar Schweden und Finnland, wo es sicher sehr kalt sein wird. Anschließend Russland, um im Oktober Japan zu erreichen. Von dort geht’s nach Australien, von Sidney nach Perth. Dort wird es dann Sommer sein. Dann geht’s mit dem Flugzeug nach Vancouver in Kanada. Im März / April 2005 wird es dann in Kanada sehr kalt sein. Weiter soll es in die USA gehen, Chicago, Washington, Baltimore, New York heißen die Stationen. Dann wird es zurück gehen nach Europa - nach Glasgow in Schottland, um von dort nach insgesamt etwa 2 Jahren wieder London zu erreichen.

Uli: Wie finanziert Ihr Euren Lauf? Habt ihr große Rücklagen, zahlen Eure Firmen Euer Gehalt weiter, gibt es Sponsoren - oder wie muss man sich das vorstellen?

Jesper: Das ist eine sehr zentrale Frage. Viele wollten an dem Weltlauf teilnehmen, aber bei den meisten ist es an den Finanzen gescheitert. Alexander und mir ist es in den letzten 2 ½ Jahren gelungen, nach und nach für die verschiedenen Bereiche Sponsoren zu gewinnen: Kleidung und Schuhe, Babyjogger, Navigation und Kommunikation, Flugzeugpassagen, Essen und Trinken sowie eine Reihe von Hotelübernachtungen. Trotzdem gibt es noch offene Fragen: Wie geht es weiter, wenn wir wieder zu Hause sind? So haben wir vor, in Tokio und Sidney noch einige Anschlusssponsoren zu gewinnen, um für die Zeit nach dem Lauf etwas Sicherheit zu haben.

Uli: Ist es möglich für Euch, während des Laufes Kontakt zu Verwandten und Freunden zu halten?

Jesper: Wir haben ein GPS - Gerät und ein Handy, um unseren Lauf stündlich und täglich zu dokumentieren, mit einer Verbindung zu einer Datenbank in Dänemark. Darüber hinaus gibt es ein Handy, mit dem wir - überwiegend per SMS - Kontakt zu Freunden, Verwandten aber auch Sponsoren halten können. Wenn es geht, haben wir auch Kontakt über e - mails. Hier entwickelt sich weltweit ein immer stärker werdendes Netz an Beziehungen. Die Befürchtungen, dass der Kontakt zu unseren Freunden abflacht, hat sich bis jetzt nicht bewahrheitet.

Uli: Vielen Dank, Jesper, für Deine Antworten und Deine Offenheit! Ich wünsche Dir und Alexander allezeit einen guten Lauf und ein gutes Gelingen für Euer großes Vorhaben. Wer weiter an dem Worldrun interessiert ist, dem seien folgende Internetseiten empfohlen: www.worldrun.org sowie www.steppenhahn.de .

Alexander und Jesper bei der Zeitung
Alexander und Jesper umgeben von Uli Schulte und Step Steppenhahn


© Uli Schulte, 22. Januar 2004