Vom Marlboro- zum Marathon-Mann
von Rolf Ohnmacht, Rolf.Ohnmacht@t-online.de

Diese (meine) Geschichte ist nicht für Sportler geschrieben worden, sondern in erster Linie für all jene, die Sport bisher nur "in der ersten Reihe" mit Bier und einer Packung Chips konsumieren, dabei vielleicht auch noch eine Schachtel Zigaretten am Tag rauchen und auch sonst völlig normal sind ...

Ach ja, nicht verschweigen will ich natürlich die Tatsache, dass der Hauptdarsteller unserer Geschichte sehr stark auf die 40 zugeht - ein Alter, bei dem der Schwabe bekanntlich weise wird und vielleicht auch schon erste Anzeichen der Midlife-Crisis verspürt.

Nicht zum ersten Mal in meiner mehr als 25-jährigen Raucherkarriere beschloss ich so ziemlich genau vor einem Jahr, endgültig mit dem Rauchen aufzuhören. Der 1.1.2000 sollte es sein! Für einen Nichtraucher mag es wohl völlig unverständlich sein, mit der Durchführung so lange zu warten - Tatsache jedoch ist, dass ich Silvester meine letzte Zigarette "genossen" habe und mir seither mehr als 300 DM monatlich zur Verfügung stehen (dieser Aspekt ist aber mit Sicherheit auch der Unwichtigste..).

Viele, die mit dem Rauchen einmal aufgehört haben, futtern als Ersatzbefriedigung alles mögliche in sich hinein und leiden fortan an ihrem Übergewicht. Bei mir war das etwas anders: im Laufe von mehreren Jahren hat sich mein Ideal- in Normalgewicht und dann schleichend in Übergewicht verlagert. So wog ich schon Ende letzten Jahres ca. 80 kg, was mit einer Körpergrösse von 1,76 meiner Ansicht nach doch etwas zu viel war.

Im März traf ich eine Bekannte, die gerade eine Woche lang gefastet hatte. Dass man dabei nicht nur ein paar Pfunde abnehmen kann, sondern ganz nebenbei auch noch seinen Körper entgiftet - diese Idee faszinierte mich! Kurzum, die Woche vor Ostern habe ich unter Anleitung eines Buches acht Kilo abgenommen. Zugegeben, ich war selbst mehr als überrascht, innerhalb einer Woche 10 Prozent meines Körpergewichts abgenommen zu haben - aber ich fühlte mich spür- und sichtbar wohl dabei.

Einmal im Jahr ereilt mich nun schon seit gut 10 Jahren eine immer wiederkehrende Bandscheibengeschichte, die ihren Höhepunkt vor drei Jahren hatte, als mich ein schwerer Bandscheibenvorfall außer Gefecht setzte. Anfang April diesen Jahres war es mal wieder so weit: Eine Woche Schmerzen und fast völlig bewegungsunfähig, danach mehrere Wochen Krankengymnastik, und danach wie jedes Mal nichts dazugelernt? Dieses Mal war es anders - zum Großteil hat es wohl auch mit der Woche Fasten zu tun: es klingt für den ein oder anderen vielleicht etwas komisch, aber ich hatte das Gefühl, meinen Körper in dieser Zeit (besser) kennengelernt zu haben und mir war bewußt, daß ich nun endlich, zum ersten Mal im Leben freiwillig, Sport treiben wollte!

Gesagt, getan! Naiv, wie ich war, zog ich mir ein paar alte Sportschuhe an und begann zu laufen (auf neudeutsch "joggen"). Ich erinnere mich noch genau an das erste Mal, als ich nach nicht mal zehn Minuten völlig fertig fast zusammengebrochen bin. Hey, Alter, das kanns doch wohl nicht gewesen sein? Aber es ging von Tag zu Tag besser und - so bin ich nun mal - ich wollte schnell zu viel. Nach 14 Tagen war dann meine noch nicht mal annähernd begonnene "Läuferkarriere" auch schon beinahe wieder zu Ende: ich hatte solche Schmerzen, vor allem in den Knien und Fußknöcheln, daß ich kaum noch gehen konnte; Treppensteigen wurde zur Tortour. Meine täglichen Läufe konnte ich vergessen - ich hatte sogar Angst, mir einen bleibenden orthopätischen Schaden geholt zu haben.

Die kommende Woche "Zwangspause" nutzte ich zum Lesen! Da ich im Grunde genommen davon überzeugt war, das Richtige zu tun, wollte ich das Richtige auch richtig tun ... Schnell begriff ich, daß ich so ziemlich alles falsch gemacht habe (beginnend bei den Laufschuhen), was nur falsch zu machen war (bis hin zur Trainingsintensität).

So begann ich systematisch, das Gelesene in der Praxis zu verwerten und langsam (für meine Verhältnisse ...) zu laufen. Fünf Tage in der Woche, am Sonntag einen langen Dauerlauf. Schon bald lief ich von unserem Haus in Dürrmenz via Flugplatz nach Niefern und auf der anderen Enzseite wieder zurück (ca. 11 km). Mittlerweile sind noch andere (längere) Trainingsstrecken hinzugekommen: nach Mühlhausen über Lomersheim (ca. 16 km), Pforzheim Enzauenpark (ca. 21 km) und Vaihingen über Lomersheim, Mühlhausen und Rosswag (ca. 30 km).

Das "Lauffieber" hatte mich sehr schnell infiziert, ich las mehrere Fachbücher und Zeitschriften. Wer sich irgendwann mal etwas intinsiver mit dem Thema Laufen beschäftigt, der kommt um eines nicht umhin - Marathon! Emil Zatopek, zusammen mit Nurmi wohl die bekannteste Lauflegende, sagte einmal: "Wenn du laufen willst, lauf eine Meile. Wenn du ein neues Leben kennen lernen willst, dann lauf Marathon". Ich hatte also ein klares Ziel vor Augen: innerhalb eines Jahres wollte ich einen Marathon laufen!

Im Juni lernte ich im Urlaub Hermann kennen. Hermann kam immer mit einem anderen T-Shirt zum Frühstück: Hamburg-Marathon, Berlin-Marathon ... - das also war ein leibhaftiger Marathoni! Nach ein paar Tagen traute ich mich, ihn anzusprechen - ich, der blutige Anfänger. Komm, lauf mit, in 10 Minuten treffen wir uns am Swimmingpool, war seine Antwort. In diesem Urlaub habe ich noch etliche Tipps zum Laufen und speziell zur Marathonvorbereitung von ihm erhalten - wir sind seither regelmäßig miteinander in Kontakt.

Seit dieser Zeit habe ich auch einen ständigen Begleiter beim Laufen: ein Herzfrequenzmessgerät, das ich nur jedem angehenden Läufer absolut empfehlen kann.

Ende Juni war ich mir sicher, daß ich nicht mehr bis nächstes Jahr auf meinen ersten Marathon weder warten wollte noch konnte und meldete mich für den Baden-Marathon in Karlsruhe am 17. September an! Jedoch: sollte nicht mal ein knappes halbes Jahr Vorbeitung von 0 auf 100 reichen? Egal, ich trainierte gewissenhaft und konsequent ca. 100 km in der Woche und ich war mir eigentlich sicher, daß ich es gut schaffen kann, wenn ich mir ein realistisches Ziel setzen würde: durchkommen, möglichst unter 4 Stunden ...

Heute, knapp eine Woche nach meinem ersten Marathon, blicke ich immer noch mit Stolz und Demut auf meine eigene Leistung zurück: 3 Stunden, 18 Minuten und 16 Sekunden. Nie auch nur im Traum hätte ich mit einer solchen Zeit gerechnet! Ja, ich habe es geschafft, und darauf darf ich auch stolz sein. Aber warum Demut? Ganz einfach, ich bin dankbar dafür, daß mein Körper nach all den vergangenen Jahren, in denen ich ihn aus heutiger Sicht fast mutwillig zerstört habe, immer noch intakt ist und zu einer solchen Regeneration im Stande war!

Wie geht die Geschichte weiter? Am 3. Oktober starte ich beim 4. Nürnberger Stadtlauf (Halbmarathon) auf Einladung meines Lauffreundes Hermann, bei dem ich auch übernachten kann. Ich freue mich jetzt schon auf unser Zusammentreffen. Am 29. Oktober fahre ich nach Frankfurt zum Euro-Marathon. Nächstes Jahr möchte ich im April nach Paris und im September nach Berlin ...

Ach ja, ich wiege zur Zeit 65 kg und glaube nicht, daß ich in absehbarer Zeit zunehmen werde - obwohl ich ganz normal esse.

Sollten dem ein oder anderen Leser eventuelle Parallelen zu Joschka Fischers Buch "Mein langer Lauf zu mir selbst" oder auch anderen Läuferbiographien auffallen, so liegen sie einfach in der Natur der Sache und ich möchte nicht abstreiten, die ein oder andere Inspiration von dort erhalten zu haben.

Wenn diese meine Story zum Nachahmen anregt, dann war sie es wert: Nichtrauchen, Abnehmen, Gesundheit und Wohlbefinden durch Laufen; für mich eine logische Entwicklung - und für Sie? Leben Sie auch wohl!

Rolf Ohnmacht, Rolf.Ohnmacht@t-online.de