Alle zeigen - Bericht von Roland Rothfuß zum 100km SSC Hanau-Rodenbach:
Roland Rothfuß , 20.08.2007

9 Mal Rodenbach- oder eine Hymne auf das Laufen...

Rodenbach, das ist Harry A. Arndt- ein Mann wie der legendäre Dr. van Aaken. Er hat es mit seiner DUV durchgesetzt, daß der DLV 100 Km-Meisterschaften akzeptieren mußte. Vorher gab es das nicht. Meinen ersten 100 Km-Lauf schaffte ich hier auf dieser waldreichen, romantischen 10 Km-Runde mit Zieleinlauf im Stadion. 9 Mal in Folge packte ich diesen profimäßig organisierten Lauf und konnte Spitzenläufer aus der Nähe beobachten, denn es gab hier einen Wendepunkt- und auch die hatten so ihre Schwierigkeiten zu überwinden...

Allerdings möchte ich hier nicht langweilen, sondern mal eine Hymne auf das Laufen allgemein " singen ": Ich lief bisher rund 82900 Trainings- und Wettkampfkilometer, täglich kommen etliche Kilometer hinzu, ich lief bei Tag, in der Nacht, in den Tag hinein, ich lief 24 Stunden, bei -20 Grad und bei knapp 40 Grad plus, bei Regen, Sturm, Gewitter- leider- Hagel, im Schneesturm, Wolkenbruch in Biel. Ich lief auf trockenen, staubigen Feldwegen, auf Gras, auf Fels, im Matsch, auf Eis, auf Schnee, im Tiefschnee, natürlich auf Asphalt, auf Geröll im Gebirge, auf Felsplatten, durch Bäche bin ich gewatet, über Brücken, Stege, Schneefelder, ein Viadukt und durch Tunnels. Ich lief auf Treppen, entgegen der Richtung auf einem Rollband in einem Einkaufstempel, eine Bobbahn ( die vom Hackl Schorsch am Königsee ) außen rauf und innen `runter-

und immer war es schön !!!

Mein Credo: Der Weg ist das Ziel- und so genieße ich jeden einfachen " Brot-Trainingslauf " von einer Stunde ebenso wie die " Sahnetorte Wettkampf ".

Mein weiteres Credo: Jeder Lauf muß fun machen und trotzdem * ein bißchen * ein bißchen mehr * manchmal sehr weh tun. Diese Mischung macht`s für mich.

Ich lief, als Tschernobyl explodierte und die radioaktive Wolke über Deutschland zog- erfahren habe ich es später...Wenigstens regnete sie über uns nicht ab.

Ich lief in Mutlangen um das Atomraketen-Camp der Amis 1983/1984, als die Pershing-Raketen aufgestellt wurden und Groß-Demos in Mutlangen an der Tagesordnung waren. Die Amis fuhren mit ihren Schwertransportern durch das an das Camp angrenzende Wohngebiet und kippten auch mal eine Rakete die Böschung hinunter in den Wald, weil sie das vom Regen aufgeweichte Bankett befahren hatten.

Ich lief um den das Camp umrundenden idyllischen Waldweg, auf dem T-Shirt einen großen Donald Duck-Kopf- kam dann die Streife im offenen Jeep, grinsten die boys: " Oh good, keep on running! " Klar, mit Joggern gab es keine Probleme- am Camp dagegen war ständig eine Groß-Demo mit Promis wie Heinrich Böll, Schauspieler Dietmar Schönherr und Kollegin Barbara Rütting sowie etlichen Grünen-Politikern. Daß es nie eine Eskalation gab, war der Esels-Geduld der Amis und der Strategie der deutschen Polizei zu verdanken...

Und immer war mein Lauf ein guter Lauf !!!

Ich lief in Davos 1991, als es in der Nacht vor dem Rennen 10 cm Neuschnee auf dem Sertig-Paß gab (2740 Meter) und der Start um eineinhalb Stunden verschoben werden mußte- es war affenkalt und das heiße Bad nachher eine Wohltat- und es war trotzdem schön und unvergeßlich!

Unheimliche Begegnungen der dritten Art: Ich lief und überstand die Attacke eines Raubvogels- der Größe nach ein Milan- ohne Blessuren, aber mit einem Riesen-Schreck. Dreimal griff der Kerl an, immer von hinten- und pfiff knapp über meinen Kopf. Gerettet hat mich wahrscheinlich meine Kappe, die mögen die nicht oder fürchten sie sogar, sieht von oben aus wie ein großer Schnabel...

Schlimmer war ein Tankwagen-Fahrer, der mich mit seinem Gefährt jagte. Ich hatte ein Schimpfwort losgelassen, weil der mich beinahe von der Straße geputzt hatte. Und der hatte das wirklich gehört und war ausgerastet. Abgehängt habe ich ihn schließlich, weil ich 3 mal enge Kurven durch einen Bauernhof lief- da gab er auf...

Ähnlich streßig war ein Jäger, der mich ebenfalls mit dem Auto verfolgte und ein Rover-Rowdy auf gesperrtem Feldweg. Trotzdem war der Lauf ein guter Lauf...

Auch weitere Autofahrer wollten mir ans Leder, hielten an und versuchten mich läuferisch zu erreichen...^^Blieb aber bei etwa 10 Metern, dann waren die außer Puste...

Einmal schleuderte auf schneeglatter Straße ein Auto und driftete quer auf mich direkt zu- ein Sprung zur Seite und ich kam mit einem Schrecken davon...

Begegnungen mit Viechern sind leichter zu berechnen- so wurde ich noch nie vom Pferd getreten auf engen Waldwegen, passe aber da schon auf- Blickkontakt zu Pferd und Reiter, ohne hektische Bewegungen sanft vorbeihuschen.

Einmal begegneten mir auf engem Waldweg eine hübsche Reiterin mit einem Pferd am Zügel zusätzlich. Die rief mir zu, ich solle bitteschön stehenbleiben, bis sie ihre Vierbeiner " positioniert " hätte. Ich tats und schlich dann dicht an den Gäulen vorbei, wobei ich ständig auf einen Tritt wartete, wow...Die Reiterin war echt hübsch...^^

Die Hunde-Begegnungen kennt ihr wohl alle selbst, angefangen beim Pinscher bis zum Schäferhund. Selbst ein Hunde-Fan, mag ich halt nur eine bestimmte Sorte Halter nicht:
Läuft der Mensch viel, ist es ein ausgeglichener Hund, wenn nicht, eine renitente Nervensäge.

Ein Dackel legte mich auf schneeglatter Fahrbahn flach, als er von hinten attackierte- als ich erschrocken herumfuhr, rutschten mir die Beine weg, lag flach und direkt vor dem Dackel. Wir waren beide so erschrocken, daß keiner den anderen gebissen hat...

Schlimmer war eine kalbsgroße, freilaufende Deutsche Bulldogge- ihr Kopf war nur unwesentlich tiefer als meiner. Hier rettete mich nur Stehenbleiben und dann vorsichtiges seitliches Weggehen. Endlich rief der Herr Halter- und das Kalb setzte sich ebenfalls ab...

In Rodenbach hatte 1990 der Orkan Wibke ganze Arbeit geleistet- das idyllische Wäldchen war sehr dezimiert- der Lauf wurde nach Hanau verlegt, zudem es Deutsche Meisterschaften waren. Es war ein Super-Lauf...

Ich lief an einem Haus vorbei, ein Hund kam- nicht angeleint- heraus- und fand mich offenbar sympathisch. Ich bekam ihn nicht mehr los, wir liefen gute 7 km bis zu mir nach Hause. Nachdem der Kerl einen halben Eimer Wasser gesoffen hatte, legte er sich auf unserer Veranda nieder, bis ihn sein von mir informiertes Herrchen abgeholt hatte.

Jahre später noch mal dasselbe an anderere Stelle- doch dieser lief nach ca. 3 Km wieder selbständig heim. Immer war es schön, jeder Lauf hatte sein eigenes Flair, keiner war umsonst, keinen möchte ich missen !!!

1000 Sprüche von allen möglichen und unmöglichen Leuten habe ich gehört, wortlos ignoriert ( man ist halt cooler Profi, gut! ), manchmal zurückgemotzt ( schlechtere Lösung, da unbeherrscht, aber befreit ungemein) und weggesteckt...

Jeder kennt das " 1,2,1,2 " ( die Deppen, unterste Stufe)," hopp, hopp ", nicht besser, einer rief mir zu: " Hast Du Deine Skier verloren? ", ein anderer ( ich: " Bitte Hund anleinen " !!!) brüllte zurück: " Wenn Du frei herumlaufen darfst, darf das mein Hund erst recht!!! " Wenigstens etwas originell...

Weitere Zitate: " Der läuft bei dieser Hitze ", " den sieht man jeden Tag rennen ". Schon fast anerkennend...

Heute lief mir ein Schnauzer quer vor die Füße, aus einem Haus raus. Ich konnte gerade noch ausweichen und schüttelte den Kopf- da kreuzte der wieder quer und wieder konnte ich gerade noch einen Schlenker laufen.
Schrie der Hundehalter: " Was gibts da den Kopf zu schütteln???" " Hier besteht schließlich Leinenzwang..." sagte ich zurück. Darauf brüllte der: " Ich hau Dich in die Fresse, daß Deine Sonnenbrille davonfliegt..." Mit solchen Typen ist eben immer zu rechnen- Läufer scheinen geradezu Unbefriedigte, Prolls, Assis oder Geistig-Unterbelichtete in Rage zu bringen...

Kurz darauf schoß ein Jugendlicher mit Mountainbike den Hang runter direkt mit Absicht auf mich zu und wich erst einen halben Meter vor mir aus- dachte, der will mich rammen. Ich fuhr meine Faust aus und traf dessen Schulter, da war der Spaß gar nicht mehr so funny...

Ich lief, ich laufe, ich laufe morgen, hoffentlich auch noch in der Zukunft lange, ich will laufen solange es läuft- und hoffentlich laufe ich auch noch nach meiner irgendwann stattfindenden Wiedergeburt- there is no finish line...

LAUFEN ist einfach nicht zu beschreiben, man muß es selbst tun- so, und jetzt gehe ich endlich wieder laufen...


© Roland Rothfuß, 20.08.2007

Weitere Info's und Berichte zum Lauf:


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