Tritt ein, bring Glück herein

Stop, leider geschlassen!

 

Andreas Keuchel zum Internationaler Isarrun (29.05.2005) - Ultramarathon beim Steppenhahn (10.2000)
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Andreas Keuchel , 29.05.2005

Meine Reise zu den Ursprüngen der Isar

Am Samstag vor meiner Abreise zum 2. Isarlauf sitze ich zu Hause und schaue auf den wolkenverhangenen Himmel und den regennassen Garten. Gerade ist mein letzter Trainingslauf zu Ende gegangen und ich bin über 2 Stunden durch den Regen gelaufen. Damit habe ich in diesem Jahr über 1000 Trainingskilometer geschafft, allein im April waren es 450 Kilometer. An diesem Tag finden wieder viele Wettkämpfe statt, und ich bemitleide alle, die bei dieser Nässe und Kälte unterwegs sind.

Am nächsten Tag sieht die Welt schon wieder besser aus. Die Taschen sind gepackt, und Lisa und Luca fahren mich morgens zum Bahnhof Wilhelmshöhe. Die einfache Fahrkarte ist ausgestellt auf die Strecke Kassel-Plattling und nicht zurück. Zwei weitere Mitstreiter aus Kassel (Dieter Schiemann und Michael Heise) sind auch schon da, und ohne Umsteigen fährt uns der ICE bis in die Nibelungenstadt Plattling. Die erste Nacht wird in der örtlichen Sporthalle verbracht. Nachdem Quartier bezogen ist, werden wir vom Veranstalter und der Stadt Plattling zum Essen eingeladen. Die Strecke des morgigen Tages wird vorgestellt und nach einem kleinen Spaziergang durch den Ort beginnt auch bald die Nachtruhe.

1. Etappe: Plattling-Dingolfing 62km (05:33:33h 6.Platz)
Zum Start ist Kriemhild erschienen, und Hagen von Tronje. Grimmig sieht er drein. Wahrscheinlich genauso wie ich. Mir ist jetzt doch die Nervosität vor dem Start des Rennens anzumerken. Pünktlich um 9:00 Uhr geht es jedoch endlich los, und 57 Läuferinnen und Läufer starten vom Marktplatz Richtung Isar. Nachdem wir diese erreichen geht es erst mal Richtung Donau zur Isarmündung. Erst dann wird die Richtung gewechselt und wir laufen den selben Weg zurück bis Plattling. 23km sind geschafft und endlich lassen wir diesen Ort hinter uns. Ich habe mich im vorderen Mittelfeld so um den Platz 15 eingereiht und laufe ein für mich günstiges Tempo. Die Orte, die wir auf dem Isarradweg durchqueren, liegen beschaulich leicht erhöht an dem hier oft aufgestauten Fluss. Die Sonne lacht auf uns herab und wir können den Tag tatsächlich genießen. Im zweiten Drittel der Etappe erscheinen so nach und nach Läufer vor mir, die schon dem angegangenen Tempo Tribut zollen müssen. So kommt es dazu, dass ich als 6. das Ziel auf dem Marktplatz von Dingolfing erreiche. So war das eigentlich nicht geplant. Bedächtiger sollte die Strecke angegangen werde. Ich fühle mich jedoch gut, bin nicht erschöpft und kann schon bald nach einer erfrischenden Dusche die erste Mahlzeit einnehmen. Regeneration ist angesagt!

2. Etappe: Dingolfing-Freising 75km (07:05:05h 7. Platz)
Um 5:00 Uhr ist die Nacht zu Ende. Wir haben im Pilgerzelt im Innenhof des Hotels geschlafen. Gewitterregen sind die Nacht über hinab gestürzt, jedoch ist es heute Gott sei Dank wieder trocken.
Ab dem zweiten Tag wird in zwei Gruppen gestartet. Die erste Gruppe startet auf dieser längsten Etappe bereist um 6:30Uhr. Alle die jetzt laufen, haben auf der gestrigen Etappe für den Kilometer mehr als 7min/km benötigt. Wir starten um 7:30Uhr und werden nach guten 1,5 Stunden die Ersten der ersten Startgruppe eingeholt haben. Diese Zusammentreffen sind für alle Läufer schön, sowohl für die Überholenden, als auch die Überholten. Da das Feld sich doch recht bald in die Länge zieht und man alleine oder höchstens in Dreiergruppen unterwegs ist, bieten diese Begegnungen eine willkommene Abwechslung. Besonders nett sind Treffen, bei denen der Überholte in freundschaftlicher Weise informiert: „ Du bist jetzt an 8. Position, Du Penner!“ Die Stimmung war immer gut. Heute geht es durch Landshut und Moosburg a.d. Isar, und dazwischen immer wieder lange Abschnitte durch die Isarauen und Ihre üppige Fauna und Flora. Obwohl die Fa. Erdinger Hauptsponsor ist, freuen wir uns alle auf das Ziel in Weihenstephan, welches ein Ortsteil von Freising ist. Von den Kulturgütern der Stadt haben wir nichts mehr gesehen. Zu anstrengend war der Tag. Heute ist die Physiotherapeutin Irina zu uns gestoßen. Schnell füllt sich die Warteliste für eine Massage. Nach einem guten Abendmahl geht es auch heute wieder früh in die Falle.

3. Etappe: Freising-Wolfratshausen 72km (07:00:32h 9. Platz)
Gestern bin ich die längste Strecke meines Lebens gelaufen, und heute soll es wieder fast so lang werden. Darüber darf ich mir keine Gedanken machen. Außerdem darf ich jede Minute genießen, in der es nur tröpfelt, denn heute ist Regen angesagt. Um 8:00 Uhr ist unsere zweite Gruppe gestartet und um halb Zehn fängt der große Regen an. Ich laufe erst ohne Regenjacke, zumindest solange mir nicht kalt wird. Im strömenden Regen erreichen wir München, laufen durch den Englischen Garten und erreichen nach geraumer Zeit den Süden der Stadt. Hier soll nach unseren Streckeninformationen ein Pfad direkt an der Isar uns weiterführen. Der ist auch leicht zu finden, leider jedoch komplett abgesoffen. Außerdem halten mittlerweile die Farbmarkierungen zur Strecke nicht mehr, so dass ich, zusätzlich als Brillenträger gehandicapt, Probleme mit der Orientierung bekomme. Glücklicherweise erscheint bald der nächste Läufer ohne Sichtprobleme, und zusammen waten, springen und laufen wir diesen Abschnitt zu Ende. Mittlerweile ist die Kälte doch noch in meine Knochen gekrochen. Die Regenjacke wärmt jetzt, und ich bin froh, diese nicht von Anfang an getragen zu haben. Anschließend erfreuen wir uns nur kurz an normalen Fahrwegen, denn wir werden auf einen endlos erscheinenden Damm entlang der lieblos kanalisierten Isar geführt, dessen Belag zu dem noch mit dicken Flusssteinen durchsetzt ist. Die nächste Stunde eiern wir nun bis zur letzten Verpflegung. Die lieben Helfer, die uns die ganze Woche optimal betreuten, begrüßte ich mit einem herrlichen Fluch, den ich hier nicht wiedergeben möchte, der jedoch unheimlich befreiend wirkte. Angekommen sind wir dann doch noch, und unser Heim für diese Nacht war das Gasthaus „Humplbräu“. Edmund Stoiber hat sich allerdings nicht blicken lassen.

4. Etappe: Wolfratshausen-Fall 59km (06:02:55h 12.Platz)
Der gestrige Regentag war einmalig. Es war der einzige und 6 Stundenregenlauf war mir auch neu. Aber es war zu überstehen, hat mir aber viel Energie genommen. Und außerdem: Alles wird gut. Heute scheint die Sonne, bald werden wir meine geliebten Berge erblicken und es sind „nur“ 59km. Aber leider auch 750 Höhenmeter, denn der Veranstalter hat im Gegensatz zum Vorjahr eine kleine Hochalm in die Strecke eingebaut. Diese Etappe sollte für mich die härteste werden. Bereits nach 15km merkte ich, dass ich müde werde. Die Atmung läuft nicht rund, und die Wärme macht mir zu schaffen. Auf den ersten Kilometern habe ich die ganze Zeit den Kilometer 45 im Kopf, weil dort die Steigung beginnt. Ich bin nicht bei mir und zermürbe mich in Gedanken an Streckenabschnitte die überhaupt noch nicht anstehen, bin nicht mehr im Hier und Jetzt. In Bad Tölz bin ich fertig, demotiviert und erst bei Kilometer 27. Wir sehen die Berge aber das Isarbett lässt uns noch nicht los. Keine Bäume, kein Schatten, müde geht’s voran. Läufer, die zu Freunden geworden sind spornen sich gegenseitig an. Viele sind am Limit, aber es geht weiter. Endlich kommt die Steigung, und mit zügigem Wanderschritt wird das erstemal auf diesem Etappenlauf gegangen. Oben begrüßt uns die Alm mit Buntvieh und blühenden Wiesen. Im Hintergrund strahlen die schneebedeckten Berge, doch leichter wird es heute für mich nicht mehr. Die gewonnenen Höhenmeter werden wieder verschenkt und wir laufen steil hinab zum Sylvensteinstausee, dort, wo der „Jäger von Fall“ sein Jagdrevier hat. Erlegt hat es heute meine linke Achillessehne und mein rechtes Schienbein. Den Rest des Tages verbringe ich mit Regeneration, Kühlen und Salben. Rings um mich herum hat sich ein kleines Lazarett gebildet. Doch die verschworene Läufergemeinschaft unterstützt sich jetzt, wo es geht. Bis zum heutigen Tage sind bereits 12 Läuferinnen und Läufer ausgeschieden. Galgenhumor macht sich breit, jedoch werden am morgigen Tag alle verbliebenen auf die letzte Etappe gehen.

5. Etappe: Fall-Scharnitz 65km (06:48:18h 11. Platz)
Gut habe ich geschlafen und alles ist noch an mir dran. Schmerzfrei kann ich die letzte Etappe beginnen, und ich bin fit für den letzten Tag. Kaiserwetter begrüßt uns auf dem Weg zum Isarursprung und über die fast 1000 Höhenmeter, die heute noch dazukommen sollen mache ich mir keine Gedanken. Ich bin wieder gut bei mir und mache mir keine Gedanken über die Länge der Etappe. Der Sylvensteinstausee begrüßt uns mit morgendlichen Nebelschwaden und bald schon taucht auf unserem idyllischen Waldweg der Blick auf die Zugspitzgruppe auf, der uns die nächsten zwei Stunden begleiten soll. Bald ist Mittenwald erreicht und kurz vor Scharnitz erreichen wir die deutsch-österreichische Grenze. Ohne Grenzformalitäten erreichen wir zur Marathondistanz Scharnitz, um den Ort aber auch gleich wieder zu verlassen. Nun geht es 12 km ins Hinterautal dem Isarursprung entgegen. Nach der letzten Verpflegung wandere ich die letzten 3 Kilometer bis zur Quelle und genieße die Mächtigkeit der Berge des Karwendel. Bald ist es geschafft. Von der Isarmündung bis hier hoch bin ich gelaufen. Gute Gefühle nehmen sich mir an. Am Isarursprung begrüßt mich der letzte Kontrollposten - keiner soll abgekürzt haben – und zeigt mir den Gedenkstein zum Isarursprung. Ich fülle eine Trinkflasche mit Isarwasser auf, labe mich an dem kühlen Quellwasser und mache mich auf den Rückweg. Der Weg zurück nach Scharnitz wird wieder laufend zurückgelegt. An einem Sportplatz gelegen direkt an der Isar ist das Ziel aufgebaut. Glücklich durchlaufe ich das Zielband und bin ein Isarrun-Finisher 2005. (32:30:23h 7.Platz 2. M40)

Am Abend fand im Gemeindesaal von Scharnitz die feierliche Siegerehrung statt. Anschließend wurde im „Risserhof“ noch ein bisschen gefeiert, doch bald gingen viele müde Krieger zu ruh.

Am nächsten Morgen hieß es dann wieder: Ab nach Kassel – einfache Fahrt.

© Andreas Keuchel, 29.05.2005

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