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"Früher haben wir ja gar nicht so trainiert. Wir sind die 100km einfach
gelaufen."
Gudrun Ellenberger,100km Läuferin aus Melsungen
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Alle zeigen - Bericht von Elisabeth Herms-Lübbe zum 50 km des RLT Rodgau:
Elisabeth Herms-Lübbe , 01.02.2010Rodgau bei Eis und Schnee
Der liebe gute Rodgau-Ultramarathon war diesmal ganz schön giftig. Eis und Schnee und alle Mischformen dazwischen waren auf dem vertrauten, altbewährten 5-km-Rundkurs, und das nicht zu knapp. Man hatte dagegen Splitt gestreut. Zum Glück waren nur die gekommen, die sich nicht über den Winter aufregen.
Also, dann mal wieder los, zum Start über Eis wandern, und dann ab. Ganz schön beschwerlich, aber was soll´s, es trifft ja alle. Richtig gefährlich war es nicht. Was hätten die Veranstalter auch machen sollen. Salz streuen neben Spargelfeldern geht nicht. Außerdem gibt es gar nicht mehr so viel Salz zu kaufen, wie man gebraucht hätte.
Am Wendepunkt der kleinen Pendelstrecke - war da nicht sonst eine Betontonne? - ein Sonnenschirmstiel. Dort gab es durchgehend Musik aus den 60er-Jahren. Da werden die alten angefrorenen Beine wieder munter: “Needles and pins...eehhh”, “Barbaba, Barbara Anne” und “No milk today....the company was gay”. Da kann man mal sehen, wie die Zeit vergangen ist, “gay” hieß früher ganz normal “unbekümmert, sorglos”. Eine schwule Molkerei, das würde ja auch keinen Sinn machen.
Die Helfer vom Wendepunkt hatten Schwierigkeiten mit ihrem Zeltpavillon. Zuerst stand er ganz normal da, dann stand er nebenan im Feld und endlich wieder ungefähr da, wo er vorher war, aber irgendwie war er eingebrochen. Der hat wohl keine große Freude gemacht.
Neben der Strecke lief jemand mit der Aufschrift “Team” auf der Jacke auf Langlaufskiern. Der macht das richtig, dachte ich, du bist heute bei der falschen Sportart.
Einmal musste ich von unterwegs telefonieren. Das Leben mit all seinen gefährlichen Spielarten geht weiter, auch wenn man läuft. Ich hatte am Abend zuvor nach einem Kauf bei Ebay eine Phishing Mail bekommen. Jemand wollte meine Kreditkarte benutzen und Einzelheiten dazu wissen. Ich dachte mir, ein Mensch meines Vertrauens sollte die nötigen Schritte einleiten, etwa Polizei oder Staatsanwalt informieren. Mir wurde jedoch beschieden: “Phishing Mails sind sowas von normal, da kümmert sich eigentlich keiner recht drum, schade ist das.” Zum Glück hatte ich sofort der Firma Bescheid gesagt, in deren Namen der Bösewicht tätig war, die klopft ihm jetzt hoffentlich auf die Finger.
Jede Runde war wie gehabt: Haus Edelweiß (warum der Name? Hat man darin vor Jahrzehnten gemeinsam von den Alpen geträumt?), Verpflegungszelt, Wälle aus Naturschutzgestrüpp zum Wohl von Vögeln, Insekten und Mäusen, ein großes Spargelfeld, der erste Wald mit überwiegend Laubholz, Pendelstrecke mit Musik, Feld mit Gegenwind, der zweiter Wald mit überwiegend Nadelholz, in dem man bald an einem Zaun längs läuft. Jedes Jahr frage ich mich wieder, warum ist er da? Schützt er uns vor einer Gefahr? Oder sind wir die Gefahr, vor der etwas geschützt werden muss? Vielleicht will ich es gar nicht wirklich wissen, dann hätte ich etwas zu grübeln weniger.
Wenn eine Runde vorbei war, wurde man von Gabi begrüßt. Schon auf dem Feld mit dem Gegenwind, wenn sie noch zwei Kilometer entfernt war, konnte man ihre vertraute Stimme hören. Gabi war wieder Streckensprecherin und hatte auf ihrem Logenplatz im Wohnmobil alles im Blick. Bewundernswert, wie viele Leute sie kennt und für wie viele sie kleine launige oder persönliche Bemerkungen weiß. Das gibt der Veranstaltung einen besonderen Zusammenhalt.
Eigentlich passierte nicht so viel. Immer wieder wurde ich überholt. Die schnellen Läufer zeigen ihre quietschbunten Sohlen. Sie heben die Füße viel mehr. Deshalb haben, wenn es matschig ist, die Schnellen die schmutzigsten Beine. Ich hatte wieder meinen Fotoapparat dabei. Manchmal habe ich den Fotoblick aufgesetzt, kleine Abwechslung unterwegs: Was ist bei dieser Veranstaltung banal aber typisch, was ist besonders? Wie fange ich die Atmosphäre ein?
Gelegentlich habe ich mich etwas unterhalten, denn es waren ja wieder viele Bekannte unterwegs, die allerdings immer ziemlich schnell wieder weg waren. Zuerst war ich schwerhörig, weil ich mir die Kopfbedeckung, die es für die Frühanmelder gab, ein blauer Schlauch mit Rodgau-Logos, wie bei Schürzenmustern angeordnet, in zu dicken Lagen über die Ohren gezogen hatte. In Rodgau gibt es, seitdem die Baumwollhemden mit der Werbung für Haushaltsgeräte alle sind, immer gute Dinge für die Frühanmelder. Sie sind schön und zweckmäßig, man trägt sie gern und macht nebenher noch Reklame für den zweitgrößten Ultramarathon in Deutschland. Der marktführende Fahrradverleiher auf Mallorca macht das ebenso: Er verschenkt oder verkauft preiswert richtig gute Textilien, die hübsch anzusehen sind und die man gern trägt. Auch jetzt in Rodgau hat ein Läufer ein solches Trikot getragen. Ich hatte von diesem Fahrradverleiher die Socken an, das sind die besten Laufsocken, die ich je hatte, ohne kompliziertes rechts und links.
Zum Schluss gab es noch ordentlich Schneegestöber. Das hatte den Vorteil, das der frische Schnee den Untergrund etwas griffiger machte und es sich leichter laufen ließ. Aber da war bei mir schon die Luft raus.
Diesmal habe ich nur 40 km in den sechs Stunden geschafft. Mehr war nicht drin. Aber ich fand das schon ganz in Ordnung. Das gesellige Beisammensein vorher und hinterher ist ja fast noch wichtiger in Rodgau. Es war ordentlich voll in der Halle, auch wenn von den über 1000 angemeldeten Läufer viele nicht gekommen waren.
Bei der Heimfahrt gab es noch mehr Schnee. So ist das eben in diesem Winter.
© Elisabeth Herms-Lübbe, 01.02.2010
Weitere Info's und Berichte zum Lauf:
Kommentare zu diesem Bericht:
- Die Wendetonne is wech Mathias a.k.a laufanfaenger 02-02-2010 07:08
- Re: Die Wendetonne is wech Silvan 05-02-2010 19:29
- Re: Die Wendetonne is wech Susanne 06-02-2010 11:28
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